Unter Apothekern herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Das ist schön für die Angestellten, aber schlecht für die Inhaber, die unter dem Fachkräftemangel leiden. Besonders bitter ist es, wenn das vorhandene Personal auch noch abgeworben wird. Und wenn das auch noch der eigene Verband unternimmt. Und wenn der auch noch die eigene Frau anschreibt.
Die angestellte Apothekerin wurde vom Bayerischen Apothekerverband (BAV) zu einem Seminar eingeladen. Den Teilnehmern soll der Schritt in die Selbstständigkeit erleichtert werden. Die Apothekerin will aber gar keine eigene Apotheke gründen – sie fühlt sich in der Offizin ihres Mannes sehr wohl.
Das Paar fragt sich, warum der BAV überhaupt Mitarbeiter in Apotheken anschreibt und woher der Verband die Privatadressen hat. Auch eine zweite Approbierte der Apotheke hatte die Einladung nach Hause geschickt bekommen. „Ich finde das grenzwertig, dass mein Verband mit meinen Mitteln dafür sorgen will, dass ich Personal verliere und womöglich neue Konkurrenz in direktem Umfeld bekomme“, so der Inhaber.
Beim Verband kennt man die Kritik an der Veranstaltung, die regelmäßig durchgeführt wird. Wie der BAV an die Adressen der Angestellten kommt, ist schnell erklärt: „Wir haben uns an die Apothekerkammer gewandt, mit der Bitte, die Einladung in unserem Namen zu verschicken“, so ein Sprecher des BAV. Und da die Kammer an der Aktion nichts ehrenrühriges gesehen habe, sei sie dieser Bitte nachgekommen. Kammer und Verband sitzen in München im selben Haus.
Bei allem Verständnis für die Personalsorgen der eigenen Mitglieder zählt es aus Sicht des Verbandes zu den eigenen Interessen, jungen Apothekern beim Schritt in die Selbstständigkeit behilflich zu sein. Das Angebot richte sich an Kollegen, die mit dem Gedanken spielten, eine eigene Apotheke zu gründen. „Kein Angestellter, der sich in seiner Position wohlfühlt, wird sich davon beeinflussen lassen“, so der BAV-Sprecher.
Andererseits haben sich laut Verband in der Vergangenheit immer wieder Mitglieder an ihren Verband gewandt, weil sie keinen Nachfolger finden konnten. Abgesehen davon ist der BAV – anders als andere Apothekerverbände – keine reine Arbeitgeberorganisation. Auch Angestellte können theoretisch Mitglieder werden, auch wenn dieses Angebot nur von wenigen wahrgenommen wird.
Der Verband veranstaltet entsprechende Abendkurse regelmäßig gemeinsam mit Unternehmen aus allen relevanten Bereichen: Mit von der Partie sind der Großhändler Sanacorp, die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover, das Rechenzentrum VSA und die Deutsche Apotheker- und Ärztebank. Die beteiligten Unternehmen laden zum Teil ebenfalls über ihre Verteiler zu der Veranstaltung ein. Das Feeback auf bisherige Veranstaltungen war laut BAV immer positiv.
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