Zettel, die aus Wannen hängen: Jeder Apothekenmitarbeiter kennt den Anblick der Kisten, die der Großhandelsfahrer mehrmals am Tag bringt. Die eingeklemmten oder beigelegten Lieferscheine könnten bald der Vergangenheit angehören. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) schlägt in einem Gesetzentwurf vor, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen nicht mehr in Papierform vorliegen müssen. Das Ende der Zettelwirtschaft?
Was viele nicht wissen: Die Lieferscheine haben neben der handels- auch eine arzneimittelrechtliche Grundlage: Laut § 6 Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV) sind den Lieferungen an die Apotheken „ausreichende Unterlagen beizufügen, aus denen insbesondere das Datum der Auslieferung, die Bezeichnung und Menge des Arzneimittels sowie Name und Anschrift des Lieferanten und des Empfängers hervorgehen“.
Künftig sollen die geforderten Unterlagen auch in elektronischer Form an den Empfänger übermittelt werden können. Dies soll laut BMG die elektronische Kommunikation erleichtern. „In diesem Fall ist sicherzustellen, dass die elektronischen Dokumente für die jeweiligen Empfänger jederzeit leicht zugänglich sind und dass sie in hinreichender Weise vor unbefugten Manipulationen geschützt sind”, heißt es weiter.
Viele Apotheken würden sich freuen, wenn sie die Zettelwirtschaft endlich loswerden könnten. Da Aufträge ohnehin via EDV-System übermittelt und bearbeitet werden, könnten elektronische Belege vieles in der Warenwirtschaft vereinfachen – und viel Platz im Back Office schaffen. Ohnehin bieten bereits heute viele Großhändler den Service, die Lieferscheine auf ihren Portalen zu hinterlegen. Das ist wichtig, wenn der Lieferschein einmal in der Wanne fehlte oder wenn, was zuletzt häufiger vorkam, die Kasse bei Hochpreisern Einkaufsbelege sehen will.
Wie mit Geschäftsunterlagen umzugehen ist, regelt die Abgabenordnung (AO). Zwar wurden mit dem im Mai verabschiedeten „Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz” die Aufbewahrungspflichten für Lieferscheine aufgehoben. Dies gilt aber nur dann, wenn die Rechnung ebenfalls alle Angaben des Lieferscheins enthält. Da die Sammelrechnungen des Großhandels keine Einzelpositionen ausweisen, gelten die Lieferscheine als Buchungsbelege und müssen laut §147 AO ebenfalls zehn Jahre aufbewahrt werden.
Allerdings können laut AO die entsprechenden Dokumente bereits heute digital vorliegen – bei manchen Großhändlern wird jede zweite Rechnung schon elektronisch übermittelt. Wird der Datentransfer auch noch gemäß AM-HandelsV zulässig, könnte auf Lieferscheine in Papierform ebenfalls verzichtet werden. Eine Ausnahme sind Geschäftsunterlagen, auf denen handschriftliche Bemerkungen stehen.
Umstellen müssten sich vor allem die Hersteller im Direktgeschäft, denn hier sind Lieferschein und Rechnung in Papierform nach wie vor Standard. Selbst bei der Bestellplattform Pharma Mall wird regelmäßig noch das Fax benötigt. Umgekehrt finden viele Hersteller, dass die Apotheken viel zu sehr an ihrem Faxgerät hängen. Bestellshops wie Apolino haben es schwer, sich in der Breite zu positionieren. Um die digitale Zukunft im Bereich Pharma und Apotheke dreht sich auch VISION.A, die Digitalkonferenz von APOTHEKE ADHOC und Apotheken Umschau am 21. und 22. März in Berlin.
Mit dem Gesetzentwurf des BMG sollen vor allem Vorgaben der EU-Fälschungsrichtlinie umgesetzt werden. So sollen die Apotheken verpflichtet werden, bereits beim Verdacht von Arzneimittelfälschungen unverzüglich die zuständige Behörde zu informieren. Eine entsprechende Erweiterung von §21 ApBetrO ist in der Novelle vorgesehen. Laut BMG soll damit „sichergestellt werden, dass keine gefälschten Arzneimittel in die Vertriebskette eindringen“.
Bislang gilt diese Pflicht nur, wenn Arzneimittelfälschungen tatsächlich aufgetreten sind. Die betroffenen Packungen sind „bis zur Entscheidung über das weitere Vorgehen getrennt von verkehrsfähigen Arzneimitteln und gesichert aufzubewahren, um Verwechslungen zu vermeiden und einen unbefugten Zugriff zu verhindern“. Sie müssen „eindeutig als nicht zum Verkauf bestimmte Arzneimittel gekennzeichnet werden“. Alle getroffenen Maßnahmen sind zu dokumentieren.
Eine entsprechende Verschärfung ist in §5 AM-HandelsV vorgesehen. Damit wird auch der Großhandel verpflichtet, Verdachtsfälle unverzüglich an die Behörde sowie zusätzlich an den jeweiligen Zulassungsinhaber zu melden. Laut Begründung stellt diese Vorschrift allerdings auch noch einmal die Anforderungen an den Apothekenleiter klar. Außerdem wird der Großhandel in §6 AM-HandelsV verpflichtet, die Sicherheitsmerkmale auf den Arzneimittelpackungen zu überprüfen und zu deaktivieren, wenn er die Ware nicht an Apotheken abgibt. Denn unter bestimmten Voraussetzungen, die in §47 Arzneimittelgesetz (AMG) definiert sind, dürfen Großhändler und Hersteller auch Ärzte, Tierärzte, Zahnärzte sowie Bundeswehr, Polizei, andere Regierungseinrichtungen sowie Universitäten und Hochschulen beliefern.
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