Wende im Skonto-Prozess: Im zweiten Anlauf hat das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) in zweiter Instanz über die Skonto-Frage verhandelt. Am 29. Juni soll das Urteil verkündet werden. Bis dahin bleibt es spannend. In der Verhandlung zeichnete sich aber nach Angaben von Beobachtern ab, dass die Richter dem Landgericht Aschaffenburg (LG) nicht folgen werden: Skonti müssen laut OLG in die Rabattbetrachtung einbezogen werden.
Gut 90 Minuten dauerte die Verhandlung in zweiter Instanz vor dem OLG Bamberg. Der Vorsitzende Richter machte von Anbeginn klar, dass der Festzuschlag des Großhandels von 70 Cent nicht rabattiert werden darf. Als Beleg für ihre Argumentation stützen sich die Richter auf die entsprechende Bundestagsdrucksache. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Der preisunabhängige Bestandteil ist nicht rabattierbar.“ In einem früheren Entwurf wurde zudem ausgeführt, „dass der Großhandel eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken sicherstellen kann“.
Allerdings gehen die Bamberger Richter offenbar noch weiter. Im Verhandlungsverlauf wurde deutlich, dass sie die vom Gesetzgeber vorgegebene variable Marge des Großhandels von 3,15 Prozent als Obergrenze für die Rabattierung sehen. Dazu rechen müsse man auch den Skonto, ließ der Vorsitzende Richter durchblicken. Nach ausführlicher Diskussion wurde der Verkündungstermin auf den 29. Juni festgesetzt. Allerdings machte das OLG in der Verhandlung deutlich, dass es sich nur als „Durchgangsstation“ auf dem Skonto-Prozess-Weg zum Bundesgerichtshof sieht.
„Überrascht“ von der klaren Wende zeigte sich AEP-Geschäftsführer Jens Graefe. Anders als in der ersten Instanz seien „viele neue Aspekte“ diskutiert worden. Graefe geht davon aus, dass das Urteil des OLG Bamberg nicht der AEP-Argumentation folgen wird. Klar sei aber ohnehin, dass der Skonto-Streit höchstrichterlich entschieden werde.
Eigentlich sollte der Prozess bereits am 11. Mai stattfinden. Weil der Berichterstatter erkankt war, wurde die Sitzung wurde verschoben. Vor dem LG hatte sich AEP durchgesetzt. Im Prozess geht es um die Einheitskondition des Großhändlers. AEP gewährt Apotheken auf Rx-Arzneimittel 3 Prozent Rabatt und zusätzlich 2,5 Prozent Skonto. Aus Sicht der Wettbewerbszentrale sind diese Konditionen zu großzügig und daher unzulässig. Nach ihrer Auffassung dürfen Großhändler maximal 3,15 Prozent Rabatt geben – das entspricht dem variablen Teil ihrer Vergütung. Skonti seien dabei Rabatten gleichzusetzen.
AEP wurde im Dezember 2014 abgemahnt und Mitte März 2015 verklagt. Ende August 2015 traf man sich erstmals vor Gericht in Aschaffenburg. Am 22. Oktober erklärte das LG in seinem Urteil sinngemäß, Skonto sei kein Rabatt und die Großhandelsmarge könne theoretisch komplett an die Apotheken weitergegeben werden. Die Wettbewerbszentrale ist dagegen in Berufung gegangen. Beide Seiten wollen den Streit notfalls bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) bringen.
Mit der Skonto-Frage haben sich mittlerweile zahlreiche Arzneimittelrechtler befasst. Es gibt keine einheitliche Linie, was arzneimittelpreisrechtlich unbedenklich ist und ab wann Skonti als versteckte Rabatte zu werten sind. Mal wird die Branchenüblichkeit als Referenz genommen, mal das aktuelle Zinsniveau als Gradmesser herangezogen. Die harte Position der Wettbewerbszentrale, dass jeder Skonto ein Rabatt ist, vertreten die meisten Rechtsexperten nicht.
Gestritten wird auch über die Rabattierbarkeit der 70 Cent aus der Großhandelsvergütung. Die meisten Experten gehen aber – anders als das LG – davon aus, dass das Fixum nicht für Rabatte zur Verfügung steht.
AEP fühlt sich verfolgt, das Vorgehen der Wettbewerbszentrale wird als rechtsmissbräuchlich gerügt. Die andere Großhändler gewährten ihren Kunden bekanntermaßen vergleichbare und teilweise Konditionen, ohne dass die Wettbewerbszentrale dagegen vorgehe. In Bad Homburg hält man es dagegen für selbstverständlich, einen Marktteilnehmer herauszupicken, um eine Rechtsfrage zu klären.
Bei AEP hat man allerdings inzwischen Zweifel, dass es der Wettbewerbszentrale wirklich um die Rechtsfrage geht: In Alzenau vermutet man, dass die anderen Großhändler hinter dem Verfahren stecken, um das Geschäftsmodell des Newcomers zu zerstören. Die Wettbewerbszentrale bestreitet vehement, fremdgesteuert zu sein.
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