Strenge Stiko-Vorschriften

Grippeimpfung: „Mussten Kunden kurz vor dem 60. wegschicken“

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Berlin -

Apotheker:innen dürfen unter bestimmten Bedingungen ihre Kund:innen gegen Grippe und das Coronavirus impfen. Das ruft nicht immer Begeisterung hervor: „Wir halten uns schon seit Beginn der Impfkampagne streng an die Stiko-Vorschriften“, so Anna Marquardt, Inhaberin der Tannenberg Apotheke in Wuppertal. „Es kommt vor, dass wir Patienten kurz vor ihrem 60. Geburtstag aufgrund der Vorschriften wegschicken müssen.“ Auch das ärztliche Umfeld sei wenig angetan: „Ich kenne leider keine einzige Arztpraxis, die begeistert ist, dass mit dem ApoRG noch mehr Aufgaben an die Apotheken gehen, die eigentlich in den Praxen verortet sind.“

Nach § 20c Infektionsschutzgesetz (IfSG) dürfen Apotheker:innen Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gegen Grippe impfen. Personen, die das 12. Lebensjahr vollendet haben, dürfen gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 geimpft werden. Tritt das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) in Kraft, sollen Apotheker:innen künftig bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, auch Totimpfstoffe sowie Schutzimpfungen gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) verimpfen dürfen. Vorausgesetzt, die Approbierten sind ärztlich geschult und gehören zum Personal der Apotheke.

Die beiden OHG-Inhaberinnen Birgit König & Anna Marquardt haben sich seit dem Impfbeginn in den Apotheken viel mit dem Thema beschäftigt: „Unser Ziel ist es, so viele Menschen wie möglich impfen zu können. Das niedrigschwellige Angebot ist sehr attraktiv für unsere Patienten“, so Marquardt. So haben die beiden Pharmazeutinnen extra einen sogenannten Impfcubus eingerichtet: „Das schafft die nötige Privatsphäre, die Menschen fühlen sich in einer abgeschotteten Räumlichkeit wohl und sind offen für Gespräche“, so die Apothekerin.

So könne man auch durch die vorangehende Anamnese viel über die Medikationen der Patient:innen erfahren: „Die Resonanz ist entsprechend positiv“, so Marquardt. Es gebe aber durchaus Schattenseiten: „Wir mussten vor allem anfangs vermehrt Menschen wegschicken, die knapp vor ihrem 60. Geburtstag standen und dennoch eine Grippe-Impfung wollten“, berichtet die Inhaberin. „Das war eine sehr unschöne Situation, aber wir waren uns unsicher, wie streng die Krankenkassen das Alter der Patienten kontrollieren“, erklärt sie. „Heute räumen wir einen etwas größeren Spielraum ein. Vor allem, wenn die Menschen etwa kurzfristig in den Urlaub wollen, aber erst eine Woche später 60 Jahre alt werden.“

Im ärztlichen Umfeld stoße die hohe Impfquote durch die Apotheke nicht auf Zustimmung. „Vor allem, wenn in Zukunft noch mehr Aufgaben von Apotheker:innen übernommen werden, die bisher in den Praxen erledigt werden“, so die Inhaberin. „Viele Ärzte sehen ihre Felle davonschwimmen“, erklärt sie. Das sei sehr schade: „Wir haben trotz eines ausführlichen Informationsschreibens an die umliegenden Praxen eher negatives Feedback erhalten.“ Marquardt kann das durchaus verstehen: „Die Kommunikation zwischen uns und den Ärzten steht auch durch die Gesundheitspolitik ungewollt unter einem schlechten Licht.“

So seien einige Praxen zu Beginn der Impfsaison der Meinung gewesen, die Apotheke verschaffe sich nur Vorteile: „Einige Ärzte glaubten, wir impfen abends und an den Wochenenden. Es gab sehr viele Gerüchte, auch durch Fehlinformationen“, bedauert die Pharmazeutin.

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