Lieferengpass

Grippeimpfstoff: Einzelimport wegen Engpass

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Berlin -

Grippeimpfstoffe sind knapp. Mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist es offiziell – Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat den Versorgungsmangel ausgerufen. In einigen Teilen Deutschlands besteht aufgrund eines regionalen Verteilungsproblems seit Längerem ein Mangel. So auch in Thüringen. Die Apotheker wissen sich schon seit einiger Zeit zu helfen und zwar mit Einzelimporten nach § 73 Absatz 3 Arzneimittelgesetz (AMG). Und das schon bevor der Minister den Mangel bestätigte.

In Thüringen werden die saisonalen Grippeimpfstoffe über die AOK Plus abgerechnet. Die Kasse ist dem Vernehmen nach nicht ganz unschuldig an der Misere. Bereits im Juni wurden die Ärzte in einem Schreiben dazu angehalten, wirtschaftlich zu verordnen. „Als Vertragsarzt/Vertragsärztin sind Sie aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet, im Verhältnis mehrerer therapeutisch gleichwertiger, aber unterschiedlich teurer Impfstoffe, den kostengünstigeren zu wählen“, so die AOK Plus. Zum damaligen Zeitpunkt wusste jedoch die Kasse selbst nicht, ob die erfragten Preise auch unverändert bleiben würden. Dies hatte zu Verunsicherungen bei den Ärzten geführt, die daher zurückhaltend Vorbestellungen abgegeben hatten.

Außerdem wies die Kasse darauf hin, dass „die Auswahl und Verordnung der Impfstoffe im Rahmen des Sprechstundenbedarfs gemäß der geltenden Impfvereinbarung bedarfsgerecht und wirtschaftlich zu erfolgen“ hat.

Zur Impfsaison war das Dilemma spürbar. In Thüringen fehlt es an Grippeimpfstoffen. Auch weil die Impfstoffhersteller zum Start Einzeldosen ausgeliefert hatten, fehlten Apotheken die Packungen zu 10 und 20 Stück für die Belieferung des Sprechstundenbedarfs. Die AOK Plus hatte eine Ausnahmeregelung getroffen und die Abgabe der Einzeldosis zu Lasten des Sprechstundenbedarfs genehmigt und auf Retax und Regress verzichtet.

Als die Ware wieder knapp war, nutzten Apotheker die Chance und bestellten die Vakzine als Einzelimport nach § 73 Absatz 3 AMG. Zwar kann so der Sprechstundenbedarf nicht bedient werden, aber immerhin einzelne Patienten versorgen. Denn der Import ist nur gestattet, wenn es sich um eine Bestellung für eine Einzelperson handelt und das Produkt im Exportland rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurde. Zum Import berechtigt sind Apotheken, wenn es in Deutschland für das Indikationsgebiet kein vergleichbares Arzneimittel in Bezug auf Wirkstoff und Wirkstärke gibt.

Bei einer Einzelverordnung auf den Namen des Patienten müssen für die AOK Plus folgende Kriterien kumulativ erfüllt sein:

  • Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung mit einem notstandsähnlichen Charakter vor.
  • Es steht keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Behandlung (mehr) zur Verfügung.
  • Es besteht eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
  • Der voraussichtliche Nutzen überwiegt in einer Abwägung zwischen Chancen und Risiken.
  • Es darf keine Zulassungsversagung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) vorliegen.
  • Die Anwendung darf nicht im Rahmen einer klinischen Studie erfolgen.

Die Abgabe von Einzelimporten zu Lasten der AOK Plus ist laut den Arzneimittelversorgungsverträgen für Sachsen und Thüringen genehmigungsfrei. Apotheker müssen jedoch mindestens zwei Kostenvoranschläge einholen und die Ware wirtschaftlich beziehen. Für die Kasse kann es teuer werden, denn Einzelimporte werden gemäß Arzneimittelpreisverordnung berechnet und zusätzlich können Beschaffungskosten bis zu 8,93 Euro brutto genehmigungsfrei abgerechnet werden. Auf der Vorderseite der Verordnung sind außerdem Einkaufspreis und Bezugsland zu dokumentieren. Wurde eine Einzelverordnung zu Lasten einer anderen Kasse ausgestellt, sind die entsprechenden Vorgaben – wie die Genehmigungspflicht von Einzelimporten beim Vdek – zu beachten.

Bisher liegen der Kasse noch nicht alle Rezeptabrechnungen vor, daher kann der Einzelimport nicht bestätigt werden.Klar ist jedoch, dass Impfstoff fehlt. „Eine kurzfristige Erhebung des Impfstoffbedarfs in Thüringer Apotheken hat laut Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie von letzter Woche bislang ergeben, dass mindestens noch eine höhere vierstellige Zahl an Impfstoffdosen benötigt wird. Dies sind aktuell weniger als 2 Prozent des Saisonbedarfs 2017/2018“, so eine Sprecherin. „Für die laufende Impfsaison sind den Krankenkassen alle regulatorischen Instrumente genommen worden, weshalb auch die AOK Plus nur eine Beobachterrolle einnehmen kann.“

Was aber sind aus Sicht der Kasse die Ursachen für den Engpass? „Durch Wegfall der Impfstoffrabattverträge sind die Hersteller keine Vertragspartner der Krankenkassen mehr, dadurch gibt es keine vertraglichen Verpflichtungen, ein bestimmtes Kontingent an Impfstoffen nach Thüringen oder Sachsen zu liefern.“ Laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wurden 15,7 Millionen Impfdosen freigegeben. „2017 waren es 17,9 Millionen. Damit wurden 2,2 Millionen Impfdosen weniger als in der Vorjahressaison in Verkehr gebracht“, schreibt die AOK Plus. „Das ist unverständlich, gerade in Anbetracht der – auch herstellerseitig initiierten – öffentlichen Diskussionen des letzten Jahres zum Thema Grippeimpfstoffversorgung.“

Apotheker in Thüringen können seit mehr als zwei Wochen keine Grippeimpfstoffe mehr erhalten. „Bei allen Lieferanten ist momentan nichts zu holen“, sagte Verbandschef Stefan Fink. Sollte es zu einer Grippewelle kommen, „dann schauen wir in die Röhre“. Die Verantwortung für die Situation sieht Fink bei der Pharmaindustrie und den Krankenkassen.

Fink sagt, die Krankenkassen hätten erst im April mit der Industrie die Preise für den Vierfachimpfstoff gegen Influenza verhandelt. Apotheken hätten aber bereits im Februar und März ihre Bestellungen auslösen sollen. Denn die Auslieferung der Impfdosen erfolge in der Reihenfolge, in der die Bestellungen eingegangen seien. „Die Krankenkassen verlangen von den Apotheken, den Impfstoff zu nehmen, der im Preis am wirtschaftlichsten, also am preiswertesten ist“, beschreibt Fink die Situation. Die Apotheker hätten zunächst keine Bestellungen ausgelöst, weil sie nicht wussten, bei welchem Anbieter dies gewährleistet gewesen wäre. „Und niemand legt sich für 10.000 Euro Impfstoffe hin, von denen er nicht weiß, ob er sie dann auch abgeben darf.

In Zeiten von Lieferengpässen darf das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die zuständige Behörde ermächtigen, die Versorgungslücke über Importe zu schließen – auch wenn es in Deutschland ein zugelassenes Konkurrenzprodukt gibt. Die ist vor wenigen Tagen geschehen. „Die saisonale Influenza ist eine speziell für besondere Personengruppen lebensbedrohliche Erkrankung“, so das Ministerium.

„Es besteht in Deutschland ein Mangel der Versorgung der Bevölkerung mit in Deutschland zugelassenen saisonalen Influenza-Impfstoffen. Die Impfung der betroffenen Personengruppen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission ist derzeit nicht flächendeckend sichergestellt.“ Vielmehr stellt das Ministerium fest, dass es sich bei Impfstoffen zum Schutz gegen die saisonale Influenza um Arzneimittel handelt, die zur Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt werden, und dass ein Versorgungsmangel mit diesen Arzneimitteln vorliegt.

Die zuständigen Behörden der Länder können im Einzelfall etwa befristet den Vertrieb nicht zugelassener Präparate genehmigen. Dasselbe gilt für das Auftreten einer „bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht“.

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