Professor Dr. Frank Dörje, neuer Präsident des Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), freut sich über die neue schnelle Bahnverbindung München-Berlin. Er steigt in Erlangen zu, dann sind es noch drei Stunden Zugfahrt in die Hauptstadt. Seit 4. Mai ist er im Amt – hier sind seine Pläne.
Seinen Hauptjob als Leiter der Klinikapotheke des Universitätsklinikums Erlangen führt er weiter, die Präsidententätigkeit ist ein Ehrenamt. Eines, das es in sich hat und einmal in der Woche seine Präsenz in der Hauptstadt erfordert. 2300 Mitglieder hat der Verband, es gibt viel zu tun. Er spricht von einem „doppelten Frühling“. Und meint den draußen vor der Tür und den bei den Krankenhausapotheken. „Das Apothekensterben ist vorüber“, sagt er mit Blick auf seine Branche.
377 Klinikapotheken gibt es bundesweit, dabei soll es langfristig bleiben. Vor zehn Jahren waren es noch mehr als 600, doch parallel zur Zentralisierung der Krankenhäuser wurden oft auch deren Apotheken zusammengelegt. „Momentan stehen die Zeichen günstig“, sagt Dörje. „Wir merken, dass viele Krankenhäuser die Patienten- und Arzneimittelsicherheit verbessern möchten.“ Viele sind, unter anderem wegen des Falls des sogenannten „Todespflegers“ Niels H., sensibilisiert. H. war von 1999 bis Mitte 2005 als Krankenpfleger in Krankenhäusern in Oldenburg und Delmenhorst tätig und beging in dieser Zeit die vermutlich größte Mordserie der deutschen Kriminalgeschichte. Er soll 107 Patienten getötet haben und wurde dafür zu lebenslanger Haft verurteilt.
„Dieser Fall hat zum Nachdenken geführt“, sagt Dörje. Und zu einer geplanten Novellierung des niedersächsischen Landeskrankenhausgesetzes. Um Fälle wie jenen von Niels H. künftig zu verhindern, sollen in jedem Krankenhaus Stationsapotheker über die Arzneimitteltherapie wachen. Niedersachsen als Vorbild, wenn weitere Bundesländer nachziehen, könnte sich daraus langfristig bundesweit ein Bedarf von rund 1500 neuen Krankenhausapothekern entwickeln. Nicht von heute auf morgen, aber langfristig. „Es gibt eine dreijährige Übergangsphase“, sagt Dörje. Goldene Zeiten für Deutschlands Krankenhausapotheken.
Sind 1500 offene Stellen eine Herausforderung angesichts des bestehenden Fachkräftemangels? „Wir denken, dass die Stellen besetzt werden können“, sagt Dörje. Er arbeitet seit über 20 Jahren als Krankenhausapotheker und hat erfahren: „Wir haben ein sehr hohes Nachfragepotenzial, junge Pharmazeuten möchten gern im Krankenhaus klinisch arbeiten.“
Die Arbeitsbedingungen haben sich zum Positiven entwickelt. Früher sei der Ton schon mal militärisch gewesen, nun sei eine neue Generation herangewachsen. Und die, so Dörje, kommuniziere gern und anders als ihre Vorgänger. Das Ziel, dass Apotheker, Ärzte und Pflegepersonal im Team arbeiten, kann so einfacher erreicht werden. „Unser Beruf ist kommunikativ, wir Apotheker reden mit den Patienten und auch mit dem Arzt. Es ist heute selbstverständlich, dass ein junger Assistenzarzt sich mit dem klinischen Apotheker austauscht. Gemeinsames Handeln auf der Station schafft eine gemeinsame Identität.“
Er sieht klar die Vorteile einer verbesserten interprofessionellen Zusammenarbeit: „Es bringt im Idealfall eine gegenseitige Entlastung und somit Mehrwert. Gemeinsam lassen sich Ziele leichter erreichen.“ Auch das steht auf der Agenda des ADKA-Präsidenten. „Wir Apotheker werden mit den Ärzten künftig noch besser zusammenarbeiten“, sagt er. Im November gibt es in Hamburg das erste Symposium zum Thema „Arzt und Apotheker im Krankenhaus“.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Arbeit des ADKA-Präsidenten ist die Etablierung des „Closed Loop Medication Managements“ an Krankenhäusern. Das Konzept soll den bestimmungsmäßigen Gebrauch eines Arzneimittels gewährleisten und Patienten vor möglichen unerwünschten Arzneimittelereignissen und Medikationsfehlern schützen. So funktioniert die Closed Loop Medication: Eine elektronische Verordnung wird an den zuständigen Klinikapotheker per Datenübertragung weitergeleitet, dann wird im Unit-Dose-System verblistert und die konfektionierten Medikamente werden an die Station weitergeleitet. Hier findet anschließend eine elektronische Dokumentation der Applikation statt.
Dörje zu diesem Thema: „Wesentliche Erfolgsfaktoren für einen geschlossenen Medikationsprozess sind die elektronische Verordnung durch den Arzt, ein therapiebegleitendes Medikationsmanagement durch Stationsapotheker sowie eine patientenindividuelle Medikamentenbereitstellung durch die Krankenhausapotheke, die das Pflegepersonal vom Stellen der Medikamente entlastet.“
In einem Punkt hat Deutschland erstaunlichen Aufholbedarf. Das Ziel, einen Apotheker pro 100 Klinikbetten zu beschäftigen, ist in weiter Ferne. „Da bildet Deutschland europaweit das Schlusslicht. Wir haben 0,3 Apotheker pro 100 Akutbetten“, sagt er. „Wir streben einen Apotheker pro 100 Betten an, es ist ein mittelfristiger Prozess.“ Innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahren könnte dieses Ziel erreicht werden.
Dörje ist überzeugt: „Stationsapotheker haben einen echten Mehrwert. Das Thema steht in Krankenhäusern zunehmend oben auf der Agenda, denn sämtliche Studien belegen eine Zunahme der Arzneimittelsicherheit. Auch dadurch erlebt die Krankenhauspharmazie derzeit einen Schub. In den Köpfen gibt es derzeit ein Umdenken.“ Eigentlich könne man jungen Menschen nur empfehlen, Pharmazie zu studieren. „Es ist ein erfüllender Beruf.“ Und einer mit glänzenden Job-Aussichten.
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