Nach Todesfällen

Giftige Glukose-Lösung: Shitstorm und Rückhalt für Apotheker

/ , Uhr
Berlin -

Die Staatsanwaltschaft Köln hat neue Details zu den Todesfällen in Köln bekannt gegeben. Eine 28-jährige Frau und ihr ungeborenes Baby waren nach der Einnahme einer in der Heilig-Geist-Apotheke hergestellten Glukosemischung gestorben. Das Kind wurde nun obduziert. Wie bei seiner Mutter wurde multiples Organversagen als Todesursache festgestellt. Parallel befragen die Ermittler Apothekenmitarbeiter als Zeugen. Bei Google erhalten die Betriebe des Apothekers seit Bekanntwerden zahlreiche negative Rezensionen.

Die Staatsanwaltschaft Köln ist derzeit dabei, Zeugen zu vernehmen. Hier stehen zuerst die Mitarbeiter der Apotheke im Fokus. „Wir müssen herausfinden, wer an dem Tag, als die Glukosemischungen verabreicht wurden, für was zuständig war“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Dazu zähle auch die Frage, wer Zugang zur Rezeptur hatte. Die Mitarbeiter gelten hierbei als Zeugen, nicht als Beschuldigte, betont Bremer.

Denn die Auswirkungen des Gemischs geben den Ermittlern Rätsel auf. „Neben der Verstorbenen wissen wir von zwei Frauen, die das Glukosepräparat am selben Tag einnahmen. Eine von ihnen klagte ebenfalls über Unwohlsein und brach die Behandlung sofort ab. Bei einer weiteren Frau verlief die Einnahme ohne jede Komplikation“, erläutert Bremer. Die beiden weiteren betroffenen Frauen sollen noch befragt werden. Warum das Gemisch in einem Fall eine tödliche Wirkung erzielte und in einem anderen Fall gar keine Symptome verursachte, sei aktuell noch unbekannt.

Daher versucht die Staatsanwaltschaft laut Bremer weitere Frauen zu finden, die mit der Glukosemischung in Kontakt kamen. Zudem müsse noch geklärt werden, ob das Ungeborene tatsächlich an den Folgen des toxischen Gemischs oder durch den Notkaiserschnitt starb. Schließlich befand sich die Frau erst in der 25. Schwangerschaftswoche, was die Erfolgschancen eines Kaiserschnitts gering mache. Die Auswertung entsprechender Gutachten dauere aber noch einige Wochen, dämpfte der Oberstaatsanwalt die Hoffnung auf schnelle Ergebnisse.

Nach WDR-Informationen ist dem tödlichen Glukose-Gemisch ein Narkosemittel beigemischt worden. Dieses gilt als toxisch, schnell wirksam und rufe Lähmungserscheinungen hervor, heißt es im Bericht. Die Rheinische Post ergänzte, dass das Mittel zur lokalen Betäubung eingesetzt werde. Hoch dosiert könne es jedoch zu Vergiftungen führen. Bremer wollte entsprechende Meldungen weder bestätigen noch dementieren.

Der Oberstaatsanwalt verwies auf sein Statement in einer Pressekonferenz am Dienstag, in der er betonte, den Herstellernamen nicht öffentlich zu machen. Er wolle „kein Täterwissen preisgeben“. Ebenso präzisierte Bremer Meldungen, wonach die Staatsanwaltschaft angeblich wegen Mordes ermittle: „Es besteht der Anfangsverdacht auf ein Tötungsdelikt. Erst wenn es einen Beweis gibt, dass der toxische Stoff absichtlich beigemischt wurde, sprechen wir von einem Mordfall“.

Unterdessen läuft der Betrieb in der Heilig-Geist-Apotheke weiter. Sie ist eine der beiden Filialapotheken von Inhaber Till Fuxius. Hauptbetrieb ist die Kölner Apotheke am Bilderstöckchen, die andere Filiale ist die Contzen-Apotheke. Während die Hauptapotheke im Internet ausnahmslos positiv bewertet wird, bekommen die Filialen bei den Google-Rezensionen das Misstrauen der Bevölkerung zu spüren: „Bis zur vollständigen Aufarbeitung der Geschehnisse, sollte von einem Besuch abgesehen werden“, heißt es etwa. „Das war es mit dieser Apotheke. Zwei Menschen getötet. Herzliche Gratulation“, schreibt ein anderer Nutzer. Viele weitere negative Kommentare wurden im Laufe des Mittwochs gelöscht.

Es gibt jedoch auch Zuspruch für das Team der Heilig-Geist-Apotheke: „Viel Glück. Habt weiterhin mein vollstes Vertrauen“ und „Keine Sorge, ihr seid eine super Apotheke“, spendeten mehrere Nutzer Trost. Ein Rezensent vergab „5 Punkte, um ein Zeichen gegen Hetze zu setzen“. Auch andere Nutzer wiesen in den Kommentaren darauf hin, dass es sich bislang um ein laufendes Verfahren handele und von voreiligen Verurteilungen abgesehen werden solle.

Der Apotheker zeigte sich nach den Todesfällen sichtlich mitgenommen. „Das ist eine unvorstellbare persönliche Tragödie“, sagte er gestern. Wie das Gift in das Glukosegemisch gelangen konnte, sei ihm ein Rätsel: „Ich bin fassungslos, ich kann es mir nicht erklären“. Bis auf weiteres ist es der Heilig-Geist-Apotheke untersagt, selbst hergestellte Arzneien zu verkaufen. Der Betrieb kann in allen drei Apotheken des Inhabers jedoch planmäßig weitergehen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
2500 Packungen illegal nach China verkauft
Paxlovid: Apothekerin aus Innsbruck angeklagt
Mehr aus Ressort
Kein Bewusstsein für Leistung vorhanden
Notdienst: Apotheker für 50 Prozent Luxus-Aufschlag
Neue Nische für Zwischenhändler
Skonto über Großhandelsapotheken?

APOTHEKE ADHOC Debatte