Auch wenn aktuell das Thema Lieferengpässe dominiert: Retaxationen sind nach wie vor ein ganz erheblicher Stressfaktor für Apotheken. Zwar hat die Politik versprochen, Kürzungen auf Null zu überprüfen, doch bis dahin könnte es noch lange dauern. Die erste Retaxstelle hat ein neues Modell aufgelegt.
Neben Davaso sowie den Prüfstellen der Ersatzkassen gehört GfS zu den führenden Retaxfirmen in Deutschland. Unangenehm säuselnd kommt entsprechend für Apothekerinnen und Apotheker das jüngste Anschreiben daher: „Liebes Apotheken-Team, dürfen wir uns Ihnen noch einmal neu vorstellen?“ Und als ob nicht schon die rhetorische Frage eine Provokation wäre, liefert GfS tatsächlich eine Antwort mit: „Unser Expertenteam aus Apothekern und pharmazeutischem Personal bearbeitet jährlich 130 Millionen eingereichte Verordnungen.“
Umgehend räumt das Unternehmen ein, dass Apotheken den Namen GfS bisher nur „von den wenigen Retaxationen“ [!] kennen. „Es wird also Zeit für ein neues Kennenlernen!“
Und dann kommt die eigentliche Botschaft: „Wir von der GfS haben für Sie neue, digitale Services entwickelt, durch die wir mögliche Retaxationen schneller bearbeiten können und den Prozess einfacher und direkter gestalten. So können wir uns alle noch besser auf das konzentrieren, was uns am Herzen liegt: Sie auf die Beratung Ihrer Kunden und unsere Krankenkassen auf Ihre Versicherten.“
Unter dem Motto „Weniger Papier und mehr Transparenz!“ präsentiert das Unternehmen sein neues „Service-Portal“ für Leistungserbringer. Dort „sind Abrechnungen und Einspruchsinformationen jederzeit digital abrufbar, können Einsprüche mit wenig Aufwand direkt online eingereicht werden, lassen sich zusätzliche Unterlagen schnell hochladen, können Sie im Modul Zuzahlungsprüfung den Zuzahlungsstatus für Versicherte teilnehmender Krankenkassen problemlos mit wenigen Klicks überprüfen“.
Geschäftsführer Dr. Jamshid Javdani stellt klar, dass das Angebot komplett kostenlos bleiben soll. Es gehe auch nicht nur um Retaxationen, der Service stehe im Vordergrund. Die Registrierung soll den Apotheken möglichst einfach gemacht werden: Sie müssen nur den abgedruckten QR-Code einscannen und auf der Website einen Registrierungscode eingeben.
Auch Claudia und Helge Hagedorn von den Phoenix-Apotheken in Wolfsburg haben das Schreiben erhalten. Sie ärgern sich über die Ankündigung, weil die Umstellung ihrer Ansicht nach nichts Gutes bedeuten kann: Schon einmal habe eine Kasse versucht, ihnen für ihre vier Standorte einen ganzen Schwung an Retaxationen per CD zu übergeben. Dabei sei es teilweise um Cents gegangen – also Beträge, für die man wohl eher kein Porto ausgeben würde.
Javdani widerspricht: Keinesfalls gehe es darum, mehr Retaxationen auszusprechen als bislang. Die Teilnahme am Portal sei außerdem freiwillig und könne jederzeit widerrufen werden.
In den Lieferverträgen ist geregelt, dass Retaxationen immer schriftlich erfolgen müssen. So heißt es etwa im Arzneiversorgungsvertrag der Ersatzkassen, für die GfS traditionell tätig ist: „Die Beanstandung hat schriftlich [...] zu erfolgen und ist mit einer Begründung zu versehen.“
Javdani erklärt, dass vor Nutzung des Portals daher eine Vereinbarung zwischen Kasse und Apotheke geschlossen werden muss, dass auf die Schriftform verzichtet wird.
Zumindest bei einigen Kassen müssen sich Apotheken ohnehin keine Sorgen vor Retaxationen von Kleinstbeträgen machen. So ist etwa im Arzneiversorgungsvertrag der AOK Baden-Württemberg eine Bagatellgrenze enthalten: „Für Retaxationen wird ein Mindestbetrag von 25,00 Euro für den gesamten Retaxationsvorgang festgelegt.“ Allerdings kann diese Klausel in Gestalt einer Anlage mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende gekündigt werden.
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