Gesundheits-Apps

„Apotheker sollten ihre Chance nicht verschlafen“

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Berlin -

Dr. Ursula Kramer ist Apothekerin. Doch sie arbeitet nicht in der Offizin, sondern hat sich mit der Kommunikationsagentur Sanawork selbstständig gemacht. Sie betreibt seit 2011 das Webportal „Healthon“, das Gesundheits- und Medizin-Apps bewertet. Warum Apotheker sich mit diesen Medien auseinander setzen sollten, erklärt sie im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC.

ADHOC: Sie sind Apothekerin. Wie sind Sie darauf gekommen, Apps zu bewerten?
KRAMER: Ich beschäftigte mich für Fortbildungen schon lange damit, wie man Patienten auf Gesundheitsprävention ansprechen kann. Meist kommt das im Apothekenalltag zu kurz. Gedruckte Informationsbroschüren landen im Keller und sind schnell veraltet. Als 2008 das iPhone auf den Markt kam, dachte ich: „Mit diesem Medium ist die Lehmschicht weg, jetzt kommen Apotheker bei der Prävention direkt und sofort an den Kunden heran.“ Ich fragte mich aber, wer die Qualität der gesundheitsbezogenen Apps testet. Wir wandten uns an die Stiftung Health On the Net (HON), die den Inhalt von Gesundheitswebseiten prüft. Doch die winkten nur ab – wir waren 2009 mit unserer Nachfrage zu früh dran.

ADHOC: Und darum haben Sie selbst die App-Bewertung übernommen?
KRAMER: Wir sind den Kriterienkatalog HON durchgegangen und haben ihn an Apps angepasst. Viele Punkte ließen sich übernehmen, immerhin sind sie wissenschaftlich erarbeitet worden. Ein paar Aspekte haben wir ergänzt: Wichtig bei Apps ist beispielsweise, wie vom Nutzer eingegebene Daten geschützt werden. Bei den Sachinformationen, die Gesundheits-Apps bereitstellen, ist außerdem ganz entscheidend, welchen fachlichen Hintergrund ihr Autor hat. Das muss der Entwickler transparent machen, damit der Verbraucher selbstständig bewerten kann, ob eine App gut ist. Unser Portal prüft, ob die App solche Kriterien erfüllt.

ADHOC: Wer bewertet die Apps?
KRAMER: Mithilfe unserer Kriterien kann jeder Entwickler und jeder Nutzer eine App selbst testen. Wir haben auf der Webseite dazu einen Fragebogen bereitgestellt. Testergebnisse können uns zugeschickt werden, ein sechsköpfiges Team prüft das Ergebnis dann auf Plausibilität. Wenn nötig, geben wir Entwicklern Empfehlungen, wie sie ihre App verbessern können, damit sie unseren Qualitätskriterien entspricht. Dafür verlangen wir eine geringe Bearbeitungsgebühr. Sind die Kriterien erfüllt, vergeben wir ein Gütesiegel, mit dem der Entwickler werben kann.

ADHOC: Wie finanziert sich das Portal?
KRAMER: Die Bearbeitungsgebühr deckt unsere Kosten nicht. Wir finanzieren es über Forschungsaufträge von Universitäten, Krankenkassen oder auch Entwicklern. Wir testen etwa gezielt bestimmte Apps oder scannen die aktuelle Literatur. Wir führen auch Befragungen von App-Nutzern durch. Derzeit gründen wir einen gemeinnützigen Verein, damit wir uns um Fördergelder bewerben können.

ADHOC: Welchen Nutzen hat Ihr Portal für Apotheker?
KRAMER: Genau wie den Verbrauchern bietet es Apothekern Orientierung im Dschungel der Gesundheits-Apps. Auf unserer Seite kann man speziell nach Apps für bestimmte Indikationen wie etwa Bluthochdruck und Diabetes suchen. In der Zukunft werden Apps eine immer größere Rolle im Bereich gesunder Lebensstil spielen, sie werden als Coaches fungieren. Und genau in dem Feld sehe ich auch Apotheker – als Präventionsberater der Zukunft. Daher müssen sie sich mit diesen Apps auskennen. Denn Kunden, insbesondere chronisch Kranke, werden sie darauf ansprechen und um Tipps bitten.

ADHOC: Haben Ihnen Apotheker bereits von solchen Situationen berichtet?
KRAMER: Bisher passiert das selten. Doch in nahezu jeder Ausgabe der Apotheken-Umschau gibt es inzwischen einen Artikel zu Apps. Es ist für die Kunden also definitiv ein Thema. Auf unserer Webseite haben wir Chroniker befragt, wo sie sich informiert haben, als sie eine passende App für sich suchten. Apotheker oder Ärzte haben sie nicht genannt. Dort erwarteten Patienten also bisher keine Unterstützung – wohl zurecht, denn noch wissen die meisten Apotheker darüber zu wenig.

ADHOC: Sollten informierte Apotheker ihre Kunden auf die Apps ansprechen?
KRAMER: Ich denke, es genügt, wenn ein Apotheker in der Offizin deutlich macht, dass er sich mit Apps beschäftigt. Dann werden ihn interessierte Kunden auch um Hilfe bitten. Und: Apotheker sollten ihre Chance nicht verschlafen.

ADHOC: Welche Entwicklungen bei den Apps haben Sie beobachtet?
KRAMER: Für den deutschsprachigen Markt gibt etwa 8000 Gesundheits- und Medizin-Apps, inzwischen also eine ziemliche Menge. Seit 2012 hat sich der Unterstützungsansatz gewandelt. Anfangs ging es darum, Nachschlagewerke bereitzustellen. In der zweiten Entwicklungsstufe kamen Dokumentationselemente hinzu: Nutzer konnten die Anwendungen zum Beispiel als Tagebücher nutzen. Nun werden die Apps immer interaktiver: Sie werten die eingetragenen Daten aus und geben dem Nutzer ein individuelles Feedback.

ADHOC: Was genau kann so eine App?
KRAMER: Sie teilen beispielsweise mit, ob sich die Daten im Normbereich bewegen. Sie geben wenn nötig Tipps, wie die Werte verbessert werden können. Manche Apps bieten eine Live-Chat-Funktion an: Dabei können Anwender Fragen in einem Forum stellen. Wenn etwa eine junge Mutter nicht weiß, wie sie ihr schreiendes Baby beruhigen kann, könnten ihr andere Mütter in der Community Hinweise geben.

ADHOC: Sollten auch Apotheker so ein Forum anbieten?
KRAMER: Das könnten sie, aber noch sehe ich dafür keinen Markt. Es gibt allerdings vergleichbare Angebote für ärztliche Beratungen; die sind kostenpflichtig. Man sollte beobachten, wie sich das Medikationsmanagement entwickelt, da gäbe es vielleicht Ansatzpunkte. Auch wenn Apotheker im Gesetz leider außen vor sind, wären sie aufgrund ihrer Ausbildung beste Ansprechpartner für Patienten.

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