Kommentar

Geschlossen unentschlossen

, Uhr
Berlin -

Die Apotheken in Hessen bereiten sich auf den Protest in zwei Tagen vor – das ist ein starkes Signal. Doch sie sind weitgehend auf sich alleine gestellt, bis auf Ausnahmen werden keine Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern schließen. Die fehlende Solidarität aller anderen Verbände schwächt die Aktion und ist mehr als bedauerlich. Ein Kommentar von Carolin Ciulli.

In kurzer Zeit mobilisierte der Hessische Apothekerverband (HAV) seine Mitglieder für eine zweitägige Schließung und eine Großkundgebung in Frankfurt. Die Apotheken sind entschlossen, ein deutliches Signal gegen die geplante Apothekenreform nach Berlin zu schicken. Auch die Kammer steht hinter der Aktion.

Doch die übrigen 16 Landesapothekerverbände sind geschlossen unentschlossen, winken ab, verweisen auf mögliche spätere Aktionen („August bis Dezember“) oder fordern die Mitglieder sogar auf, die Füße stillzuhalten. Regelrecht oberlehrerhaft wird dann erklärt, warum für Proteste immer noch nicht der richtige Zeitpunkt sei. So wie in der Pandemie plötzlich gefühlt jeder Bekannte irgendwie ein Virologe war, scheint es bei den Kammern und Verbänden eine ungeahnte Fülle an Expertinnen und Experten für politische Kommunikation zu geben.

Gebetsmühlenartig wird Geschlossenheit eingefordert, wobei geschlossene Unentschlossenheit gemeint ist. Noch immer gelingt es den Verantwortlichen bei der Abda – zumindest in den eigenen Reihen – den Eindruck zu erwecken, mit Briefen und eindringlichen Gesprächen ließe sich bei den ewig selben Gesundheitsabgeordneten das Schlimmste abwenden.

Für Konfliktscheue ist es zu spät

Aber was, wenn die Uhr gerade abläuft? Wenn das Zaudern genau die falsche Botschaft nach Berlin sendet. Wenn nicht nur mit einem vorliegenden Referentenentwurf bereits Fakten geschaffen werden, sondern bald auch mit einem Kabinettsbeschluss. Wenn für diese Regierung und diese Koalition der Point-of-no-return erreicht ist, also der Punkt, in dem der Gesichtsverlust zu groß wäre, um das Vorhaben in der Schublade verschwinden zu lassen?

Bislang hat noch niemand erklären können, was genau die Apotheken sich mit einem neuerlichen Protest verbauen könnten. Wie der Eskalationsplan aussieht, welche Maßnahmen im Köcher sind. Vor den Gremien stellte Kommunikationschef Benjamin Rohrer angeblich nur neue Plakatmotive und Klapppostkarten vor. Jedenfalls nichts, was nach einem „Big Bang“ nach der Sommerpause klang. Wenn es gute Argumente gegen eine Massenschließung gibt, sollten die Inhaberinnen und Inhaber diese erfahren. Denn sonst werden die Apotheken in einer gefährlichen, trügerischen Sicherheit gewogen.

Für Konfliktscheu ist es zu spät. Wenn das Zögern nicht erklärt werden kann, muss jetzt gehandelt werden. Denn noch ist es zu früh, um aufzugeben. Dass der komplette Entwurf geändert wird, ist leider unwahrscheinlich. Zu gewinnen gibt es nicht viel, aber zu verlieren gibt es alles.

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