Bundesverwaltungsgericht

Geschenkpapier unterläuft die Preisbindung

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Berlin -

Geschenkpapier lässt verschreibungspflichtige Arzneimittel billiger erscheinen, wenn es bei der Einlösung eines Rezepts mit überreicht wird. Und die einseitige Preisbindung deutscher Apotheken ist erst diskriminierend, wenn die die EU-Versender deutlich größere Marktanteile ergattert haben. Das ist die Quintessenz der sehr ausufernden Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts im Streit einer Apothekerin gegen ihre Kammer.

Die Apothekerin hatte im November 2013 auf einem Werbeflyer beworben: Bei Rezepteinlösung erhielten die Kunden einen Gutschein für eine Rolle Geschenkpapier beziehungsweise ein Paar Kuschelsocken (Werbung im Januar 2014). Aus Sicht der Apothekerkammer Westfalen-Lippe verstieß das gegen die Berufsordnung, da der einheitliche Abgabepreis unterlaufen werde. Gegen die später verhängte Ordnungsverfügung unter Androhung von Zwangsgeld in Höhe von 1500 Euro klagte die Apothekerin.

Vor dem Verwaltungsgericht Münster hatte sie ebenso wenig Erfolg wie vor dem Oberverwaltungsgericht. Doch die Apothekerin gab sich noch nicht geschlagen. Sie zog vor das Bundesverwaltungsgericht, das den Fall wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Kuschelsocken verhandeln musste. Hier trug die Apothekerin vor, dass es nach dem EuGH-Urteil zu DocMorris-Boni keine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage mehr für das Boni-Verbot gebe. Die Preisbindungsvorschriften verstießen gegen Art 12 des Grundgesetzes (freie Berufsausübung) und diene auch keinem legitimen Ziel mehr. Arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften bewirkten nach dem EuGH-Urteil eine Inländerdiskriminierung und seien daher unverhältnismäßig.

Doch auch das BVerwG wies die Apothekerin im Juli ab: Die für inländische Apotheken geltende arzneimittelrechtliche Preisbindung nach § 78 AMG und § 3 AMPreisV verstoße weder gegen das Grundgesetz noch gegen Unionsrecht. Der Erlass der Ordnungsverfügung durch die Kammer war demnach in Ordnung, das ausgesprochene Verbot hinreichend konkretisiert. Kuschelsocken und Geschenkpapier sind demnach geeignet, den Verbraucher unsachgemäß zu beeinflussen.

Der EuGH habe 2016 festgestellt, dass ausländische Versandapotheken durch die deutsche Preisbindung benachteiligt würden, erinnert das BVerwG. Für die Holland-Versender seien die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften deshalb nicht anwendbar. Inländische Apotheken „unterliegen dagegen weiterhin der Preisbindung“, so das Gericht.

Die Leipziger Richter sehen den Sinn der Preisbindung auch durch das EuGH-Urteil mitnichten widerlegt. „Die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften dienen vernünftigen Gründen des Gemeinwohls. Durch die einheitlichen und verbindlichen Apothekenabgabepreise soll ein Preiswettbewerb auf der Handelsstufe der Apotheken verhindert werden. Dadurch soll die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden. Außerdem sollen sich Patientinnen und Patienten im Interesse einer schnellen Arzneimittelversorgung darauf verlassen können, dass sie die Arzneimittel in jeder Apotheke zum gleichen Preis erhalten können.“ Zudem bezwecke der Gesetzgeber, das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern.

Und auf dem Gebiet der Sozial- und Wirtschaftsordnung verfüge der Gesetzgeber über einen besonders weitgehenden Einschätzungs- und Prognosespielraum, so das BVerwG. „Anhaltspunkte dafür, dass die Preisbindung die Sicherstellung der flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung nicht fördern würde, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt.“ Patienten könnten damit darauf vertrauen, „dass sie das jeweilige Arzneimittel bei jeder inländischen Apotheke zum gleichen Preis erwerben können“.

Bei der Frage der Inländerdiskriminierung kommt es den Richtern zufolge auf die Marktverhältnisse an. Im Rx-Bereich hätten die Versender 2016 einen Umsatzanteil von 1,3 Prozent gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hatte sich sogar an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gewandt: Welche Erkenntnisse, Gutachten oder Untersuchungen dort zur Frage vorlägen, ob die Rx-Preisbindung geeignet sei, die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Und ob zweitens schon festzustellen sei, wie sich das EuGH-Urteil auf die Arzneimittelversorgung auswirke. BMG und die Parteien wurden zudem gebeten, etwaige Unterlagen zu dem Sachverhalt zu beizubringen. Beweise, dass der Marktanteil der Versender im Rx-Bereich signifikant gestiegen sei, haben die Richter dabei nicht gesehen.

Das OVG habe festgestellt, dass „massenhafte“ Apothekenschließungen infolge der Gewährung von Rabatten und Boni ausländischer Versandapotheken bislang nicht nachgewiesen worden seien. Apothekenschließungen in strukturschwachen Regionen hätten andere Gründe, unter anderem der Rückgang von Fachärzten in ländlichen Gebieten. „Danach lässt sich weiterhin nicht feststellen, dass der Rückgang der inländischen Apothekenzahl maßgeblich auf einen wachsenden Marktanteil der ausländischen Versandapotheken zurückzuführen wäre“, so das BVerwG.

Die Apothekerin hatte noch auf die von den Versendern selbst verkündeten Umsatzsteigerungen verwiesen. Hierzu fehlten dem Gericht aber absolute Zahlen, zudem sei der Umsatz in der Region „Deutschland, Österreich und der Schweiz“ eingeschlossen. Und dass die EU-Versender „Rosinenpickerei“ betrieben und sich eine signifikante Verschiebung des Marktanteils im Rx-Bereich ergeben würden, habe die Apothekerin nicht bewiesen. Die Preisbindung für inländische Apotheken sei daher weiterhin zumutbar. „Mit Blick auf den bislang noch geringen Marktanteil der Versandapotheken aus dem EU-Ausland liegt keine verfassungsrechtlich relevante Veränderung der Wettbewerbsbedingungen zulasten der inländischen Apotheken vor.“

 

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