Das Jahr neigt sich dem Ende und der 31. Dezember ist für manche Inhaberin und manchen Inhaber zum Stichtag für einen beruflichen Einschnitt geworden. Auch für Josef Müller aus Freising. Der Apotheker entschied sich, seine Adler-Apotheke, die er in dritter Generation führt, aufzugeben – und das deutlich früher als geplant: „Ich habe die offene Geringschätzung durch die Krankenkassen satt“, sagt der 56-Jährige.
Müller ist einer der Pharmazeut:innen, der schon früh wusste, dass er einmal eine Apotheke führen würde. Als kleiner Junge saß er oft „unten“ am Schaufenster. „Ich war viel im elterlichen Betrieb, ich bin so aufgewachsen.“ Die Adler-Apotheke wurde 1937 von seinem Großvater gegründet und 1963 von seinem Vater übernommen. Das Pharmaziestudium war für Müller eine klare Entscheidung.
„Mein Vater hat mich aber gewarnt und gesagt, ich solle mir gut überlegen, was ich da mache.“ Die Veränderungen seien Ende der 1980er Jahre bereits zu sehen gewesen. 1995 übernahm Müller die Adler-Apotheke. „Auch ich habe das gesehen. Aber dass so unsinnige Regelungen oder Blödsinn wie Präqualifzierung kommen, hätte ich nicht gedacht. Dazu kämen Retaxationen der Kassen, die „wie ein Schlag ins Gesicht“ seien. Besonders kritisch sieht er die Rezeptprüfungsstelle der AOK Bayern. Dort nehme man sich ein Jahr Zeit, Fehler zu suchen.
Ich bin ohnehin nicht mehr mein eigener Herr und werde gegängelt von Präqualifizierungsstellen und der Retaxwillkür der Krankenkassen. Ich muss unsinniges Zeug über mich ergehen lassen, das ich nicht verstehe. Irgendwann ist Schluss.
Der Gedanke zu einer vorgezogenen Schließung sei vor anderthalb Jahren konkreter geworden. „Ich muss nicht selbstständig sein“, betont Müller. „Ich bin ohnehin nicht mehr mein eigener Herr und werde gegängelt von Präqualifizierungsstellen und der Retaxwillkür der Krankenkassen. Ich muss unsinniges Zeug über mich ergehen lassen, dass ich nicht verstehe. Irgendwann ist Schluss.“ Eigentlich wollte er noch zehn Jahre weiterarbeiten. Doch wenn er gegenrechne, was als Inhaber im Vergleich zum Angestelltenverhältnis übrigbleibe, führe er mit der Entscheidung „vielleicht ein ruhigeres“ Leben. „Ich schätze, es gibt viele Selbstständige in meinem Alter, deren Lebensplan einmal ähnlich aussah.“
Dabei geht es Müller unter anderem um geregelte Arbeitszeiten, die er sogar perspektivisch reduzieren könne. „Ich habe Urlaub, den ich mir als Selbstständiger erkämpfen muss.“ Die Schließung habe keine finanziellen Gründe, betont Müller. „Ich bin fast 30 Jahre selbstständig und habe genügend Rückschläge der Gesundheitspolitik erlebt, wie mit verschiedenen Maßnahmen das Betriebsergebnis der Apotheke reduziert wurde.“ Nach mehreren Jahren Baustelle erlebe der Standort jetzt wieder eine deutliche Zunahme. Zudem verteilten sich die Kund:innen wegen weiterer Schließungen im Innenstadtbereich auf die verbliebenen Apotheken. „Die Leute müssen irgendwohin, irgendwann wären wir räumlich an unsere Grenzen gestoßen.“
Momentan ist Müller mit der Abwicklung der Apotheke beschäftigt. „Für mich ist das gefühlsmäßig Ballast abwerfen.“ Die Angestellten seien gut in anderen Betrieben untergekommen. „Ich höre häufig, dass die Entscheidung ein ‚mutiger Schritt‘ ist und bekomme Bewunderung.“ Natürlich gebe es auch einen emotionalen Bezug zur Apotheke, die nach 85 Jahren für immer schließt. Ein Verkauf kam unter anderem wegen der Stufen am Haupteingang nicht in Frage. Ihm sei jedoch klar geworden, dass es ihm mit der Entscheidung, das neue Jahr als angestellter Apotheker zu beginnen, gut gehe. Dann könne er sich wieder auf seine Kernaufgabe – die pharmazeutische Betreuung – fokussieren.
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