Die Einkaufskonditionen der Apotheken dürften regelmäßig einen Verstoß gegen die Preisvorschriften darstellen. So zumindest legt es eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (OLG) im nächsten Skonto-Prozess nahe. Demnach ist jeder Skonto wie ein Rabatt zu werten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Sache wird vermutlich vor den Bundesgerichtshof (BGH) gehen.
Die Wettbewerbszentrale hatte den Reimporteur Haemato verklagt, weil sie in den Konditionen einen Verstoß gegen die Preisvorschriften nach Arzneimittelgesetz (AMG) und Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) gesehen hatte. Im Direktgeschäft hatte der Reimporteur 3,04 Prozent Rabatt plus 3 Prozent Skonto geboten. Dazu mussten die Apotheken ihre Rechnung innerhalb von 14 Tagen begleichen. Ansonsten liegt das Zahlungsziel von Haemato bei einem Monat.
Unumstritten ist, dass die 70 Cent Großhandelsfixum nicht rabattiert werden dürfen, sondern die Großhändler – sowie die Hersteller im Direktgeschäft – nur aus der variablen Marge von 3,15 Prozent Preisnachlässe gewähren dürfen. Umstritten ist, welche Rolle Skonti dabei spielen.
Im ersten großen „Skonto-Prozess“ hatte 2017 der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Großhändler ihre komplette Marge an die Apotheken weitergeben dürfen. Wenn der Gesetzgeber den fixen Teil der Großhandelsspanne in Höhe von 70 Cent von den Rabatten hätte ausnehmen wollen, hätte er das deutlicher ins Gesetz schreiben müssen, so das Urteil in Kurzform. Der Gesetzgeber reagierte mit einer Klarstellung. Doch auch die neue Formulierung blieb umstritten, die Kernfrage lautet, ob „echte“ von „unechten“ Skonti zu unterscheiden sind.
Im Fall Wettbewerbszentrale gegen Haemato hatte das Landgericht Cottbus in erster Instanz entschieden, dass Skonti voll als Rabatte zu sehen sind und damit den fixen Arzneimittelpreis unterlaufen können. Haemato war in Berufung gegangen. Das Kernargument: Durch den Skontovorteil werde die Apotheke zu einer schnelleren Zahlung veranlasst, dadurch würde seltener die rechtzeitige Zahlung vergessen, so dass sich für Haemato der Aufwand für den Forderungseinzug verringere. Der Skonto sei eine Gegenleistung für eine vorfällige Zahlung. Das Landgericht habe „ein Totalverbot von Skonti ausgesprochen“.
Aus Sicht der Wettbewerbszentrale gilt das gesetzliche Verbot, den Mindestpreis zu unterschreiten, dagegen ausnahmslos. Rabatte und Skonti seien nur im Rahmen des variablen prozentualen Großhandelszuschlages zulässig.
So sieht es auch das OLG Brandenburg. Der Wortlaut zum Festzuschlag von 70 Cent sei eindeutig: Die AMPreisV sei in Abweichung zu der Vorfassung mit der Formulierung „sind... zu erheben“ zwingend ausgestaltet und lasse keine Ausnahmen. Ein ausdrückliches Skonto-Verbot im Gesetzestext ist laut OLG nicht notwendig.
Dass überhaupt noch einmal über Skonti gestritten werden muss, ist dem chaotischen Gesetzgebungsverfahren der damaligen schwarz-roten Bundesregierung geschuldet. Denn die Beratungsunterlagen zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), in dem die Rabatt-Frage nach dem BGH-Urteil neu geregelt wurde, seien „im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Skontierung widersprüchlich“, wie das OLG festhält.
So war in der Begründung zum Referentenentwurf zum TSVG mit Blick auf die gesetzlichen Zuschläge die Rede davon, dass der Großhändler auf den Betrag „keine Rabatte oder Skonti gewähren darf“. Die nachfolgend erstellte Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vermerke dagegen, dass „Rabatte und übliche Skonti“ nur auf den Herstellerabgabepreis gewährt werden dürften. Die SPD-Fraktion schrieb in die Beschlussempfehlung und im Bericht des Gesundheitsausschusses wiederum, dass auf diese geregelten Preisbestandteile „weder Rabatte noch Skonti“ gewährt werden dürften.
Das OLG zeigte sich einigermaßen konsterniert ob dieser gesetzgeberischen Kakophonie. „Welche von mehreren, sich widersprechenden Gesetzesmaterialien grundsätzlich als maßgeblich anzusehen ist“, bedürfe hier aber keiner Entscheidung. Für die Auslegung sei der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, wie er sich aus Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergebe.
Demnach komme eine Unterschreitung der in der AMPreisV bezeichneten Preisuntergrenze durch die Einräumung eines Skontos nicht in Betracht. Die Regelung diene insbesondere der Gewährleistung eines funktionsfähigen Großhandels, die ihrerseits die Belieferung der Apotheken in der Fläche und damit das vorgenannte Ziel der Versorgung der Bevölkerung sicherstellen solle.
Weil der Festzuschlag also diesen Zweck habe und gerade kein Entgelt für das abgegebene Arzneimittel darstelle, kommt aus Sicht des OLG ein Skonto auf diesen Preisbestandteil nicht in Betracht.
Das gilt laut Urteil explizit auch für „echte“ Skonti – also die Vergütung einer vorfristigen Zahlung. Die ist zwar laut BGH-Rechtsprechung grundsätzlich auch im preisgebundenen Geschäftsverkehr zulässig, nicht aber bezogen auf die 70 Cent Großhandelshonorar. Der Festzuschlag sei ein bestimmter Beitrag zur Sicherung der Existenz des Großhandels und zur Gewährleistung der Belieferung der Apotheken und könne daher nicht Gegenstand eines Nachlasses für vorfristige Zahlung sein. Die logische Konsequenz: Ist der Festzuschlag nicht skontierfähig, gilt dies auch für den zusammengesetzten Abgabepreise.
In einem Punkt bekam Haemato recht. Die Wettbewerbszentrale hatte zusätzlich den vermeintlich zu hohen Rabatt von 3,04 Prozent bemängelt. Doch der Reimporteur konnte das Gericht überzeugen, dass es sich hier nur um eine falsche Darstellung im Angebot handele und der tatsächlich verlangte Preis (Skonto ausgeklammert) die Preisgrenzen nicht verletzte.
Das OLG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Fortbildung des Rechts Revision zuzulassen. Der BGH wird sich also vermutlich ein weiteres Mal mit den Skonti der Apotheken befassen müssen.
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