Eigentlich hatte sich das Kammergericht Berlin am 11. September nur mit dem „Partnerprogramm“ der Sanofi-Tochter Winthrop befasst, das aus Sicht der Richter unzulässig ist. Doch in den jetzt vorliegenden Urteilsgründen kommen sie zu einem ungewöhnlichen Schluss: Hersteller und Großhändler dürfen Apotheken demnach zum Herstellerabgabepreis (HAP) beliefern, weil die Großhandelsmarge freiwillig erhoben wird.
Bei dem Partnermodell konnten die Apotheken Rabattarzneimittel von Winthrop zum HAP einkaufen. Im Gegenzug verpflichteten sie sich, die betroffenen Produkte des Herstellers zu bevorzugen, etwa bei Rabattverträgen mit mehreren Partnern oder bei der gewöhnlichen Substitution.
Aus Sicht des Kammergerichts verstößt das Modell gegen das Apothekengesetz (ApoG): Die Apotheker könnten demnach in einen Interessenkonflikt geraten, wenn das Winthrop-Produkt gerade nicht vorrätig sei. Statt in diesem Fall ein anderes Präparat zu wählen, könne er sich verpflichtet fühlen, das Winthrop-Arzneimittel zu bestellen und den Patienten warten zu lassen. Bei Unverträglichkeiten des Patienten sahen die Richter dasselbe Problem.
Eine vertragliche Verpflichtung des Apothekers zur Abgabe bestimmter Produkte werfe somit Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung auf, heißt es im Urteil. Allerdings bleibe dem Hersteller die Möglichkeit, über die Einkaufskonditionen finanzielle Anreize zu setzen. Das Landgericht Berlin hatte in erster Instanz schon die Rabatte als unzulässige Einflussnahme gesehen. Das sah das Kammergericht Berlin im Berufungsverfahren anders: Ein Einkauf zum HAP sei grundsätzlich zulässig.
Die Großhandelsspanne sei in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nicht als „Festlegung eines Festpreises“ zu verstehen, sondern als „Festsetzung einer Preisspanne mit einer Begrenzung durch einen Höchstpreis“, so die Richter. Schließlich dürfe die Marge der Großhändler laut dem Wortlaut des Gesetzes „höchstens“ erhoben werden, Rabatte seien also nicht ausgeschlossen.
Das Rabattverbot für die 70 Cent Fixzuschlag gibt es aus Sicht des Kammergerichts nicht: „Der Großhandel darf daher diesen Preisrahmen unausgeschöpft lassen und die Apotheken zum Herstellerabgabepreis (der die Umsatzsteuer enthält) beliefern“, heißt es im Urteil. Weil laut Gesetzesbegründung für die Hersteller dasselbe gelte, dürften auch sie zum HAP an Apotheken verkaufen, schließt das Kammergericht.
Tatsächlich hatte der Gesetzgeber diese Klarstellung im Versorgungsstrukturgesetz in die andere Richtung gemeint: Die Regierung wollte die Hersteller damit zwingen, im Direktgeschäft ebenfalls die 70 Cent Großhandelspauschale einzubehalten. Rabattfähig ist damit nur der prozentuale Zuschlag von 3,15 Prozent.
Auf die anderslautende Entscheidung des Kammergerichts Berlin dürfte sich auch künftig in der Branche niemand berufen können. Schließlich haben sich die Richter mit dem „Partnerprogramm“ befasst, die Einkaufskonditionen zählten nicht zu den wesentlichen Fragen des Verfahrens.
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