Video-Interview Adexa

Gemeinsam gegen die Schreckgespenster der Apotheker APOTHEKE ADHOC, 11.12.2009 15:18 Uhr

Berlin - 



Die Apothekengewerkschaft Adexa hat in diesem Jahr einen neuen Tarifvertrag für die rund 126.000 Angestellten in Apotheken ausgehandelt. Mit APOTHEKE ADHOC sprachen die beiden Vorsitzenden Barbara Neusetzer und Tanja Kratt über die Gewerkschaftsarbeit, die Situation auf dem Apothekenmarkt, leistungsorientierte Bezahlung und ungelernte Kräfte in Apotheken.



ADHOC: Sind Angestellte in Apotheken gut vertreten?

Neusetzer: Angestellte sind noch nicht ausreichend vertreten und eine unserer Forderungen ist, dass die Mitarbeiter und auch Adexa mehr in der Arbeit der Berufsgremien einbezogen werden, ernst genommen werden, und dass die Belange der Angestellten noch besser vertreten werden.



ADHOC: Mit welchen Fragen kommen Arbeitnehmer zu Adexa?

Kratt: Ganz häufig mit Arbeitsverträgen. Die werden von unseren Juristen geprüft, ob sie hieb- und stichfest sind. Viele Fragen kommen zudem von Filialapothekern, weil es ein relativ neues Modell ist. Kündigungsfragen gehören natürlich auch dazu und Berechnungsfragen von Urlaub. Also die ganze Palette im Arbeitsrecht rauf und runter.



ADHOC: Was machen Ihre Tarifverhandlungen?

Kratt: Wir haben im Moment eine Verhandlungspause. Die nutzen wir, um die leistungsorientierte Bezahlung (LOB) vorzubereiten. Das werden wir mit dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) 2010 in Angriff nehmen. Aktuell sind wir mit der TGL in Verhandlung bezüglich LOB.



ADHOC: Mehr Geld für Abverkäufe?

Neusetzer: Da werden wir einen Riegel vorschieben, so wird das nicht im Tarifvertrag eingeführt werden. Natürlich kann es in der Beratung sinnvoll sein, zusätzliche Medikamente zu empfehlen, die für den Patienten einen besonderen Nutzen haben. Da spricht nichts gegen, aber es darf nicht nur sein, dass die Kasse klingeln muss. So verstehen wir die leistungsorientierte Bezahlung nicht.



 



ADHOC: Wie stehen die Chancen auf einen Arbeitsplatz?

Kratt: Wir sehen ganz gute Chancen bei den PTA, auch bei den Approbierten steigen die Anstellungsverhältnisse tendenziell. Allerdings beobachten wir auch, dass die Studierenden sich vermehrt in Richtung Industrie orientieren. Wir haben die Sorge, dass möglicherweise die Bedingungen in der Industrie besser sind als in den Apotheken. Wir können eigentlich nur dafür sorgen, dass in den öffentlichen Apotheken die Bedingungen verbessert werden.



ADHOC: Gibt es in den Apotheken genug Ausbildungsplätze?

Kratt: Also bei den PTA sieht es vermutlich ganz gut; konkrete Zahlen gibt es aber - auch bei der ABDA - nicht. Wir stellen allerdings fest, dass weniger PKA ausgebildet werden: Nach unseren Recherchen sind es 25 Prozent weniger Ausgebildete in den vergangenen fünf Jahren. Das Gleiche sehen wir bei den Pharmaziestudierenden, da sind es sogar zehn Prozent in den vergangenen fünf Jahren.



ADHOC: Gibt es weniger Bedarf für PKA?

Kratt: Wir stellen fest, dass in den neuen Bundesländern weniger ausgebildet wird und dass man dort bedauerlicherweise dazu übergeht, keine Fachkräfte sondern Ungelernte einzustellen. Diese Entwicklung sehen wir sehr kritisch.



ADHOC: Wie ist die PTA-Ausbildung im internationalen Vergleich?

Neusetzer: Für die PTA ist es im Moment noch schwierig, weil unsere Ausbildungszeit zweieinhalb Jahre ist. Deshalb arbeitet Adexa daran, die Ausbildung zu novellieren und die Ausbildungszeit auf drei Jahre anzuheben. Außerdem sollte der Abschluss eine Fachhochschulreife ermöglichen, damit man auch in anderen Ländern Chancen auf Beschäftigung hat.



ADHOC: Welche Rolle spielt das EuGH-Urteil für Angestellte?

Neusetzer: Letztendlich ist es gut für die Angestellten, weil bei den Arbeitgebern mehr Optimismus eingekehrt ist. Aber die direkte Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis hat es leider noch nicht gezeigt. Wir haben hierzu Umfragen unter unseren Mitgliedern durchgeführt: Die Tarifbindung stimmt, aber es gibt noch keine Veränderungen bezüglich Gratifikationen oder zusätzlicher Anreize. Man hat eher den Eindruck, dass schon wieder Schreckgespenster auftauchen wie Pick-up-Stellen oder Franchisekonzepte. Insofern können wir noch nicht feststellen, dass sich am Arbeitsplatz spürbar für jeden Einzelnen etwas bemerkbar gemacht hätte.



ADHOC: Und wenn der EuGH anders entschieden hätte?

Neusetzer: Das ist jetzt nicht mehr relevant. Ob sich das anders ausgewirkt hätte, weiß ich nicht. Wir haben natürlich auch in anderen europäischen Ländern Umfragen gemacht über unsere Kontakte in Norwegen, Dänemark oder Schweden. Es stand nicht immer nur Negatives im Vordergrund, sondern durchaus auch Positives. Eines ist für uns natürlich immer ein Kriterium: Wenn es einen Mitarbeitermangel gibt - und den hätte es vielleicht gegeben - dann sind die Bedingungen für uns leichter, gute Tarifverträge auszuhandeln.