Nachtdienstgedanken

Rezeptabrechnung – Ausgang ungewiss

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Berlin -

Ich wälze mich auf meiner Nachtdienstpritsche von links nach rechts mit der Frage im Kopf: Habe ich alle Rezepte genau kontrolliert? Bislang waren „pharmazeutische Bedenken“ und „Akutversorgung“ ein sicherer Ausweg. Doch jetzt wirft die Barmer mit „blauen Briefen“ um sich. Wo soll das alles noch hinführen?

Augen auf, Augen zu – es nützt alles nichts. Auch das Zählen von Packungen im Übervorrat gegenüber des Nachtdienstzimmers lässt mich nicht einschlafen. Plötzlich unterbricht Fantaschale Max meine Gedanken. „Was ist los“, ruft es aus der Rezeptur. „Da läuft ein Film in deinem Kopf, den möchte ich mit dir gucken. Ist bestimmt spannender als jeder Krimi.“ Oh ja, am Montag ist Rezeptabholung und ich habe alles vorbereitet und in die Kiste gepackt. „Aber da liegt doch noch ein Stapel“, ruft Max. Das sind 30 Rezepte, die mit einer Sonder-PZN aufgrund pharmazeutischer Bedenken oder Akutversorgung bedruckt wurden. Davon geht etwa die Hälfte an die Barmer. Angesichts der aktuellen Meldungen habe ich wahrscheinlich keine Chance, mein Geld zu bekommen.

Die Barmer fällt aktuell durch eine Retaxwelle auf. Nicht genug, dass die Rabattverträge die Versorgung der Patienten erschweren. Die Kasse spricht uns jegliche Kompetenz ab, selbst entscheiden zu können, was für den Patienten im konkreten Moment das Richtige ist. Was soll das Misstrauen? Sind wir nicht Teil des Teams? Die pharmazeutische Versorgung scheint die Bürokraten nicht zu interessieren. Die Gesundheit, das höchste Gut, rückt in den Hintergrund. Die Kasse will sparen und wir sollen zahlen.

Ich muss mich entscheiden: Versorge ich die Patienten und riskiere eine Retax oder gehe ich finanziell auf Nummer sicher? Oder ich werde tatsächlich kriminell und tue einfach so, als hätte ich nach Rabattvertrag beliefert. Da stockt das Blut in meinen Adern. Meine Sorge, retaxiert zu werden, ist größer, als mich auf Abwege zu begeben. „Gegeben anstatt“ oder Substitution – Möglichkeiten, an die ich mich noch aus früheren Zeiten erinnere, sind heute in der Software gesperrt. Vielleicht kann man sie ja reaktivieren... Obwohl – in der Vergangenheit gab es bereits Ahndungen, weil Apotheken dieses Schlupfloch genutzt hatten.

„Das lässt du mal besser“, mahnt Max. „Dann sind wir wirklich in einem Krimi und du kannst bald die Apotheke zusperren. Kann denn niemand helfen? Der Arzt? Der Verband?“ Für mich scheint der Kampf aussichtslos. David gegen Goliath, die Kasse zerdrückt die Apotheken wie kleine Käfer. Und die Patienten hauen auch noch drauf und geben mir die Schuld an der Misere. Ich wolle sie nicht versorgen. Von wegen ich wolle nur ihr Bestes – ihr Geld vielleicht, das ist es was sie mir entgegnen. Aber ich habe ja keine andere Wahl? Selbstzahler zu sein, das kann sich nicht jeder leisten. Ist ja am Ende auch gar nicht gewiss, ob sie ihr Geld bekommen.

Die Schreibtischtäter sind gefragt, unsere Retaxsicherheit liegt in ihren Händen. Sie müssen jedes Schlupfloch schließen, damit wir Apotheken im Akutfall und bei pharmazeutischen Bedenken zum Wohle des Patienten beliefern können. Wer sonst kann den Sachverhalt beurteilen, wir haben das nötige Wissen und sind Heilberufler. „Aber unterliegen Apotheken nicht dem Kontrahierungszwang? Du kannst doch den Kunden nicht einfach wegschicken! Und wo steht denn geschrieben, dass der Kunde selber zahlen muss, um versorgt zu werden?“

Auch wenn Max Recht hat: Bei der Barmer geht Rabattvertrag vor Versorgung. Um mein Recht zu bekommen, werde ich aber nicht den Weg am Gesetz vorbei gehen. Ich nehme meinen Mut zusammen und packe den kleinen Stapel in die Kiste und klebe sie zu. Jetzt kann ich nur noch hoffen, kein Rezept zurückzubekommen. Keine Nachrichten sind gute Nachrichten.

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