Zwei Jahre nach der Gründung stehen bei der Gedisa eine ganze Reihe an Neueinführungen an. Vom Maildienst über die Datenablage bis hin zur Apotheken-App werden zahlreiche zusätzliche Services angekündigt. Allerdings sind noch nicht alle potenziellen Nutzer überzeugt. Die extrem teure Anschubphase ist bald vorbei – und das Gemeinschaftsunternehmen der Landesapothekerverbände läuft Gefahr, sich zu verzetteln.
Obwohl der Deutsche Apothekertag (DAT) bereits 2016 beschlossen hatte, keine eigenen digitalen mobilen Angebote seitens der Apothekerschaft zu entwickeln, wurde 2019 doch mit der Arbeit an einer eigenen App begonnen. Beim Wirtschaftsforum des Deutsche Apothekerverbands (DAV) stellte Sören Friedrich, damals IT-Chef der Abda, heute Geschäftsführer der Gedisa, die Grundzüge der Webapp vor. Die sollte nicht weniger als eine Million Euro kosten und knapp zur Hälfte von den LAV finanziert werden.
Groß war damals noch die Hoffnung, dass man die Politik überzeugen und ein Monopol für das E-Rezept bekommen würde. Es kam bekanntlich anders. Doch dann brachte Corona den DAV zurück ins Spiel: Weil plötzlich Zertifikate erstellt und übermittelt werden mussten, gab es einen akuten Bedarf für ein gemeinsames Apothekenportal. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) lieferte die Starthilfe für die Standeslösung, indem es keine andere Optionen – etwa eine Schnittstelle aus der Warenwirtschaft – zuließ. Nur als sich abzeichnete, dass Apotheken ohne Verbandsmitgliedschaft Probleme beim Zugang bekommen könnten, gab es eine deutliche Ermahnung.
Nachdem man unter Leitung des DAV also noch hastig das Apothekenportal zusammengeschustert hatte, wurde für Weiterentwicklung und Betrieb im Herbst 2021 die Gedisa als eigenständige Gesellschaft gegründet. Das Unternehmen sollte von den LAV getragen und mit einem zweistelligen Millionenbetrag – genannt werden Beträge zwischen 18 und 35 Millionen Euro – ausgestattet werden.
Während 16 Verbände dafür tatsächlich das Geld bei ihren Mitgliedern organisierten, sagten die Kolleginnen und Kollegen in Westfalen-Lippe ab. Einerseits ging es um die grundsätzliche Frage, ob die Apotheken wirklich eine eigene Lösung bräuchten und wie gut diese nach den Erfahrungen der Vergangenheit sein könnte. Andererseits fehlte schlichtweg ein detaillierter Businessplan, mit dem sich das Millioneninvestment rechtfertigen ließ: Portal, Terminbuchungssysteme, Bestandsabfragen, Kalendersysteme – Ideen gab es viele, doch so überzeugend waren sie am Ende für den AVWL nicht. Und so wurde der kommissarisch vom Sächsischen Apothekerverband (SAV) gehaltene Anteil an die anderen LAV verteilt.
Zwei Jahre später hat das Apothekenportal zwar einige Features mehr. Doch das ist unter anderem dem Zukauf von Apomondo vor einem Jahr zu verdanken. Die meisten Tools, die Gedisa von externen Programmierern entwickeln lässt, sind noch nicht so richtig sichtbar. Und da die Nachfrage nach Impfungen oder pharmazeutischen Dienstleistungen derzeit äußerst gering ist, fragen sich die ersten Kolleginnen und Kollegen, wofür sie monatlich eigentlich 50 Euro zahlen.
So kündigt Gedisa jetzt mehrere neue Features an:
Der Nutzen erschließt sich längst nicht allen Kolleginnen und Kollegen. Henry Schwabe hat der Gedisa sogar eine wütende Mail geschickt: Nach all dem Ärger um die überstürzte und dann offenbar vollkommen überflüssige Umstellung auf das neue Login stört sich der Inhaber der Glück-Auf Apotheke in Sangerhausen beispielsweise an dem aus seiner Sicht nicht zu Ende gedachten Mailangebot: „Wir haben KIM und demnächst TIM für die Kommunikation zwischen den Leistungserbringern. Alle Apotheken haben selbst Mail-Adressen. Was soll also das Ganze? Muss ich mich immer im Portal einloggen, um meine Mails abzurufen und soll das ein Vorteil sein?“
Er rechnet vor: Bei 50 Euro pro Monat und Apotheke komme er auf ein Budget von 10,8 Millionen Euro pro Jahr. „Was machen Sie bei der Gedisa eigentlich mit dem vielen Geld?“ Für vermutlich viel Geld habe man das Telepharmazie- und Terminbuchungstool Apomondo gekauft. „Wow, tolle Leistung. ‚Von Apothekern für Apotheker‘ – die Realisierung dieses Slogans kostet uns regelmäßig extrem viel Geld und bringt nicht den entsprechenden Benefit.“
Ähnlich groß – oder noch größer – dürfte der Frust bei denjenigen Kolleginnen und Kollegen sein, die keinem der an Gedisa beteiligten LAV angehören, darunter die gesamte Inhaberschaft aus Westfalen-Lippe. Denn für sie wird der Zugang zum Apothekenportal demnächst teurer.
Der AVWL hatte für seine Mitglieder eine Rahmenvereinbarung zur Nutzung bestimmter Funktionen geschlossen. Laut Gedisa waren die dafür fälligen Gebühren nur bis Ende Juni fix vereinbart. Daher wurden die AVWL-Mitglieder jetzt über neue Konditionen ab 1. Oktober informiert: Für die Basisvariante sind dann 25 statt 20 Euro zu zahlen, für das Gesamtpaket 80 statt 75 Euro.
Zu allem Überfluss hatte Gedisa auch noch für Verunsicherung gesorgt, weil in einer ersten Mitteilung ein Abschalten des Portalzugangs schon zum 30. Juni angekündigt wurde. Tatsächlich sollen die Apotheken bis Ende September weiter auf ihren Account und die Dienstleistungen zugreifen können. Außerdem sollen sie bis dahin zum Preis für die Basisvariante die Leistungen der Vollvariante testen können. „Bitte nehmen Sie sich die Zeit, die Angebote der Gedisa ausgiebig zu prüfen und profitieren Sie von den kommenden Erweiterungen.“ Das Problem steht im letzten Satz: Zum Teil sind die angekündigten Features noch gar nicht fertig entwickelt.
Doch während die betroffenen Kolleginnen und Kollegen wegen der Umstellung ein Sonderkündigungsrecht haben, sind die Mitglieder der anderen Verbände erst einmal an Gedisa gebunden. Sie zahlen je nach Beschlusslage rund 600 Euro pro Jahr mehr an Mitgliedsbeiträgen, damit die für drei Jahre vereinbarte Anschubfinanzierung gesichert ist. Wie viel Geld davon schon verbraucht oder noch angespart ist, ist nicht bekannt.
Fakt ist: Ende 2024 läuft diese Phase ab, und spätestens dann werden die Vorstände das Engagement bei Gedisa rechtfertigen müssen. Und hier gehen die Wahrnehmungen auseinander: In Baden-Württemberg etwa steht man fest zu Gedisa; hier nutzte der LAV vor einem Jahr seine Position als Vertragspartner, um beim Impfportal der Landesregierung exklusiv die hauseigene Lösung zu platzieren. Am Ende mussten alle Beteiligten warten.
Bei anderen Verantwortlichen gibt es dagegen erste Überlegungen, Gedisa ab 2025 nicht mehr über die Mitgliedsbeiträge zu finanzieren. Dann müssten sich die Angebote des Gemeinschaftsunternehmens auf dem freien Markt behaupten – und zwar nicht nur über die Vielfalt, an der gerade mit Hochdruck gearbeitet wird, sondern vor allem über Qualität. Verzettelt sich Gedisa, wären Millionen der Apothekerinnen und Apotheker für die Katz.
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