Pharmagroßhändler müssen neuerdings selbst auf kurzen Wegen sicherstellen, dass die Temperatur im Auto den Lagerbedingungen der Arzneimittel entspricht. Versandapotheken müssen hingegen „nur“ dafür sorgen, dass Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel beim Transport erhalten bleiben. Diese Diskrepanz ist einigen Apothekern ein Dorn im Auge. Beim Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf wollen sie gleiche Regeln für alle schaffen.
Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) will mit ihrem Antrag erreichen, dass sich Versandapotheken an die Vorgaben der EU-Richtlinie zur Guten Distributionspraxis (GDP) halten müssen. Auch Logistikunternehmen, die Arzneimittel im Auftrag von Versandapotheken verschicken, müssten dann sicherstellen, dass während des Transports die Lagerbedingungen eingehalten werden.
„Die Verantwortung der arzneiversendenden Apotheke endet heute formal bei der Übergabe des Arzneimittels an das zustellende Logistikunternehmern“, kritisiert die AKNR in der Begründung zu ihrem Antrag. Die Kammer moniert, dass die für den Transport verantwortlichen Unternehmen nicht zwischen den zu versendenden Produkten differenzierten: „Eine der Arzneimittelstabilität geforderte Lagerung unter 25 Grad Celsius von nicht kühlpflichtigen Arzneimitteln wird von Versandapotheken und den Transportunternehmen in der heutigen Versandstruktur nicht gewährleistet.“
Ein Versandhandel ohne Einhaltung der GDP-Guidelines sei aber ein Verstoß gegen die üblichen Grundsätze des Verbraucherschutzes. Daher dürfe die Verantwortung der Versender erst bei der Übergabe des Arzneimittels an den Patienten enden. „Es ist Aufgabe und Verantwortung des Gesetzgebers, die Bedingungen für einen effektiven Verbraucherschutz herzustellen“, so die AKNR.
Kammerpräsident Lutz Engelen ist kein Freund des Versandhandels. Besonders stören ihn die unterschiedlichen Anforderungen: „Apotheker und Großhändler halten die Rahmenbedingungen bereits ein, dies sichern die Aufsichtsbehörden“, betont Engelen. Versandapotheken würden sich zwar im eigenen Haus auch um die Stabilität der Arzneimittel kümmern müssen – sobald die Arzneimittel an den Logistiker übergeben würden, hätten sie aber keinen Einfluss mehr darauf.
Auf das Problem aufmerksam gemacht hatte im Februar der Münchener Apotheker Dr. Hermann Vogel jr.: Er hatte einen offenen Brief an Noweda-Chef Wilfried Hollmann geschickt und ihn aufgefordert, die Umsetzung der EU-Richtlinie zu stoppen. Die technische Ausrüstung der Fahrzeuge mit Kühltechnik verursache sehr hohe Kosten, die letztlich an die Apotheken weitergegeben würden.
Vogel hält es für nicht nachvollziehbar, dass für die wenigen Stunden vom Großhandelslager in die Apotheke eine Temperaturkontrolle durchgeführt werden muss, während im Versandhandel überhaupt keine Kontrollen notwendig sind. Mit seiner Kritik hat er sich inzwischen auch an Dr. Edmund Stoiber (CSU) gewandt, der die EU-Kommission in Sache Bürokratieabbau berät.
Den Antrag aus Nordrhein begrüßt Vogel: „Gleiches Recht für alle“, fordert er. Das Arzneimittel habe keine anderen Transportbedingungen, nur weil es statt von einem Großhändler von einem Versandapotheker verschickt werde, findet Vogel.
Die AKNR will mit ihrem Antrag erreichen, dass sich Versandapotheken beim Verschicken von Arzneimitteln an die GDP-Vorgaben halten müssen – die Arzneimittellieferung mit Boten aber weiterhin unkompliziert bleibt. Wichtig sei dabei die Unterscheidung zwischen der Zustellung vom Großhandel an die Apotheken und von den Apotheken an ihre Kunden, in deren Rahmen schon heute alle nötigen Vorgaben beachtet werden, und dem Transport über weite Strecken.
Ob die Forderung der Apotheker zu Änderungen führt, ist allerdings fraglich. In einer Stellungnahme an die Noweda erklärte das Bundesgesundheitsministerium (BMG), dass die Regelungen zu recht unterschiedlich seien – wegen unterschiedlicher Rechtsgrundlagen, Transportzeiten und Liefermengen. Aus Sicht des BMG muss aber auch beim Versandhandel sichergestellt werden, „dass Qualität und Wirksamkeit erhalten bleiben“.
Die Regelungen zu GDP wurden 2013 verschärft. Großhändler und Einzelimporteure sind seitdem damit beschäftigt, ihre Logistik anzupassen und nachzuweisen, dass die Lagertemperatur unterwegs eingehalten wurde. Da vor Ort die lokalen Aufsichtsbehörden zuständig sind, gibt es bereits regional unterschiedliche Vorgaben. Auch Apotheken mit Großhandelserlaubnis müssen darauf achten, sich an die GDP-Vorgaben zu halten – sonst riskieren sie ihre Erlaubnis.
Versandapotheken müssen laut Leitlinie der Bundesapothekerkammer (BAK) dafür sorgen, dass die Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel beim Transport erhalten bleiben. Außerdem müssen besondere Anforderungen aufgrund von Darreichungsform und Thermolabilität berücksichtigt werden. Es sollen Logistikunternehmen mit einem System zur Sendungsverfolgung und mit aktivem Kühlsystem beauftragt werden.
Die Verpackung muss neutral sein und darf keinen Hinweis auf Arzneimittel enthalten. Die Präparate müssen angemessen vor Druck, Stoß, Vibration, Fall, Licht sowie Feuchtigkeits- und Temperatureinflüssen geschützt werden.
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