Fortbildung

Außendienst: Knigge am HV-Tisch

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Berlin -

Apothekenmitarbeiter verkaufen Produkte, die sie am besten erklären können. Als Hersteller muss man daher das Fachwissen bei den Kunden immer wieder auffrischen – entsprechend groß ist der Markt der Trainings im OTC-Bereich. Dienstleister wie Extravert, Face-to-Face, Apomaxx oder Redline haben sich auf das Segment spezialisiert. Wer sich als Hersteller von der Masse abheben will, bietet zusätzlich produktneutrale Services an, so wie Novartis im Bereich Category Management oder Boehringer mit Testkauf-Trainings. Krewel Meuselbach schickt seit Jahresbeginn sechs Außendienstmitarbeiter in die Apotheken, die die Teams am HV-Tisch in Sachen Kommunikation fit machen sollen. In Nordrhein, Hamburg, Bayern und Berlin gibt es dank IHK-Zertifizierung sogar Fortbildungspunkte.

Hans Walrafen von der Beratungsfirma ProPharma hat das Programm entwickelt. Für Apotheken würden Umsätze im OTC-Bereich immer wichtiger, sagt er – und damit auch die Notwendigkeit, Kunden gezielt und aktiv auf sinnvolle Therapieergänzungen anzusprechen. Der Germanist und Pädagoge war mehrere Jahre im Pharmavertrieb unterwegs, zuletzt baute er bis 2000 für Orthomol den Außendienst auf. Seit 2001 arbeitet er als selbständiger Kommunikations- und Verkaufstrainer für Hersteller, Apotheken- und Praxisteams sowie als Referent für die IHK.

Die von der IHK als „Verkaufstrainer – Fachbereich Pharma“ zertifizierten Außendienstmitarbeiter sollen Apothekern und PTA die Philosophie und die Techniken des „ethischen Verkaufens“ vermitteln. Dabei geht es unter anderem darum, Ergänzungs- und Alternativempfehlungen richtig zu kommunizieren: Apothekenmitarbeiter sollten die spezifischen Bedürfnisse ansprechen und dem Kunden mit offenen Fragen Entscheidungsfreiheit ermöglichen. Produkteigenschaften sollen als konkreter Kundennutzen ausgedrückt werden, Empfehlungen „richtig“ begründet werden.

Die deutsche Sprache habe viele Fußangeln, sagt Walrafen. So unterstelle die Frage „Kann ich Ihnen helfen“ implizit Hilflosigkeit – ein No-Go für den Kommunikationsexperten. Er will den Apothekern mit seinen Techniken die Scheu vor Zusatzverkäufen nehmen: „Wir wollen Kunden nichts aufschwatzen, sondern sie dazu bringen, freiwillig zu kaufen.“

Die Fortbildung kostet pro Außendienstmitarbeiter 8500 Euro; an 80 Seminarstunden schließen sich 30 Stunden praktischer Übungen an. Vermittelt werden neben den kommunikationswissenschaftlichen und psychologischen Grundlagen auch pädagogisch-methodische Ansätze für die entsprechenden Schulungen in den Apotheken. Abgeschlossen wird der Kurs mit einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung, die Walrafen gemeinsam mit zwei weiteren Prüfern abnimmt.

Arno Willmeroth, der bis vor kurzem bei Krewel Meuselbach als Vertriebsleiter arbeitete, hatte die ersten Seminarteilnehmer vermittelt. Nach seinem Wechsel zu Mucos schickt jetzt auch der Wobenzym-Hersteller seine Außendienstler zu Walrafen. Der will neben Herstellern auch Kooperationen ansprechen – und auf diese Weise Coaches ausbilden, die direkt aus der Apotheke kommen. „Es ist doch viel effektiver, wenn der Trainer selbst in der Apotheke vor Ort ist, um die eigenen Mitarbeiter zu schulen“, sagt er.

Von reinen Produktschulungen hält Walrafen wenig: Diese würden von den Apothekenmitarbeitern häufig als unseriös empfunden. „Apotheker und PTA wollen ihren Kunden keine Produkte in die Tasche mogeln.“ Genau das werde aber vermittelt: reines Produktwissen, das einige wenige Verkaufsargumente anbiete und die wirklichen Kundenbedürfnisse ignoriere.

Bei der Berliner Firma Extravert kann man die Kritik nicht verstehen: „Apotheker haben den Anspruch, dem Kunden zu helfen und authentisch zu empfehlen und dann auch abschließend zu verkaufen“, sagt Geschäftsführerin Kristin Henke. „Wir achten daher bei unseren Schulungen darauf, dass ein Gleichgewicht besteht zwischen pharmazeutischer Fachkompetenz, ethischen Aspekten und einer praktischen Lösungsfindung – also einer Produktempfehlung, kombiniert mit Therapieergänzungen und individuellen Hinweisen.“ Dabei würden die Mitarbeiter sensibilisiert, das Beschwerdebild, die Ursachen und die Bedürfnisse des Kunden im Blick zu behalten.

Extravert hat im vergangenen Jahr rund 15.000 Schulungen durchgeführt, die meisten davon für Hersteller wie Bayer, Boehringer, Dr. Willmar Schwabe oder Dr. Loges. Die Schulungen würden von den Apothekern im Schnitt mit „sehr gut“ bewertet. Rund zwei Drittel der 450 Referenten sind laut Henke Apotheker, PTA oder Pharmazieingenieure. „Das ist authentisch und wird sehr positiv angenommen.“

Mit dem sogenannten Multi-Plus-Apotheken-Programm will auch Extravert ab Mitte Februar Apothekenmitarbeiter zum Schulenden fortbilden, damit diese ihr Wissen ins eigene Team tragen.

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