Inhomogenität und Dosisschwankungen – die Qualität von Rezepturen ist immer wieder Thema. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) geht das Problem nun mit der Qualitätsoffensive „RezepturFit“ an. Professor Dr. Klaus Langer von der Universität Münster kennt die Probleme und will Apothekern unter die Arme greifen.
Langer ist Direktor des Instituts für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie. Bei der Kammer leitet er den Ausschuss für Qualitätssicherung. Er kennt die Schwierigkeiten, die Apotheker mit Rezepturen haben: „Die Probleme hängen von der Arzneiform ab“, erklärt er. „Bei halbfesten Zubereitungen ist die Inhomogenität ein großes Thema, bei Kapseln sind es Dosierungsschwankungen, besonders bei niedrigdosierten Zubereitungen.“
Was den Apothekern dabei Schwierigkeiten bereitet, ist für Langer nur bedingt nachvollziehbar. „Wir schauen dem Apotheker nicht in der Rezeptur über die Schulter, sondern sehen nur das Ergebnis“, sagt er.
Eine Theorie hat er aber: Halbfeste Zubereitungen beispielsweise würden häufig mit elektronischen Rührsystemen hergestellt. „Diese genießen ein gewisses Vertrauen und manche Apotheker verzichten anscheinend auf die Endkontrolle“, sagt Langer. Beim Anrühren in der Fantaschale sehe man, wann man eine homogene Zubereitung habe – beim elektronischen Rühren in der Kruke nicht. „Deshalb ist dabei die Endkontrolle so wichtig“, betont der Apotheker. Denn gegebenenfalls müssten die Rührbedingungen angepasst werden.
Auch bei der Kapselherstellung ist die Herausforderung, den Wirkstoff homogen mit dem Füllstoff zu vermischen: „Je weniger Arzneistoff benötigt wird, desto größer sind die Probleme, die auftreten“, so Langer. Denn es reiche nicht, die Bestandteile zusammenzuschütten und 30 Sekunden zu rühren. „Stattdessen muss man eine aufstockende Mischung herstellen – das ist natürlich zeitintensiver.“
Bei den Lösungen ist es für Langer weniger einfach, die Schwierigkeiten zu erkennen. Denn in Apotheken werden vor allem halbfeste Zubereitungen – Salben, Cremes, Gele – hergestellt, gefolgt von Kapseln. Lösungen stehen erst an dritter Stelle. „Wie bei Kapseln sind Dosierungsschwankungen das häufigste Problem – aber eine Erklärung dafür habe ich nicht“, so Langer.
Das Hauptproblem ist aus seiner Sicht die fehlende Übung. „Die Arzneimittelherstellung ist ein Handwerk und erfordert Routine“, sagt er. „Aber es gibt Apotheken, die stellen nur alle zwei oder drei Jahre mal Kapseln her.“ Daran knüpft das Programm „RezepturFit“ an. Es besteht aus sechs Bausteinen, mit denen das Ziel verfolgt wird, die Qualität von Arzneimitteln aus der Apotheke zu verbessern. „Für den Patienten soll es egal sein, ob er ein Medikament von der Industrie oder aus der Apotheke bekommt“, so Langer.
Ein wichtiger Bestandteil des Programms sind Rezeptur-Workshops. An der Universität Münster finden bereits seit vier Jahren Seminare zu halbfesten Arzneiformen statt. Die rund 30 Teilnehmer bekommen theoretische Informationen vermittelt und probieren sich dann selbst an einer Rezeptur. Fünf Betreuer stehen ihnen mit Rat zur Seite. Am Ende des Tages werden die fertigen Zubereitungen einer Qualitätskontrolle unterzogen.
Nach diesem Vorbild wurden zusammen mit den PTA-Schulen im Land Workshops für Kapseln und flüssige Arzneiformen entwickelt, die in diesem Jahr erstmals stattfinden. Sieben Termine gibt es in den Schulen in Castrop-Rauxel, Gelsenkirchen, Hamm, Münster, Olsberg, Paderborn und Siegen. Die Workshops sind für Apotheker und PTA konzipiert, aus Langers Erfahrung sind die Teilnehmer mehrheitlich PTA.
Zweiter Baustein des Fortbildungsprogramms ist die Rezeptur-Messe, die erstmals im Juni in Münster stattfindet. Dort werden Mitarbeiter des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL), des Deutschen Arzneimittelcodex (DAC) und des Neuen Rezeptur Formulariums (NRF) über Herausforderungen bei der Herstellung informieren. Wenn sich die Messe bewährt, soll sie auch im kommenden Jahr durchgeführt werden.
Forschung und Entwicklung sind ein weiterer Ansatzpunkt. An der Uni Münster soll etwa untersucht werden, welche Rezepturen eigentlich häufig verordnet werden und welche Dosierungen bei den Ärzten gefragt sind. Daraus könnten dann spezifische Empfehlungen für Apotheken erarbeitet werden.
Langer will ab November erforschen, ob es praktische Arbeitshilfen für die Rezepturherstellung gibt. „Beispielsweise wäre es vielleicht möglich, einer Rezeptur einen Farbstoff beizumischen. Dann könnte man leichter erkennen, ob eine Salbe homogen sei oder nicht. Denn bislang wird ein weißer Arzneistoff in eine weiße Salbengrundlage gemischt“, erklärt er.
Die Kammer will zudem existierende Hilfestellungen von Unternehmen und Verlagen zusammenfassen und den Apothekern als Hilfestellung für die Praxis zur Verfügung stellen. Außerdem soll die lokale Vernetzung von Apothekern angestoßen werden.
Ein großes Thema ist zudem die Kommunikation: „Wir versuchen, die Kollegen für das Thema zu sensibilisieren“, so Langer. Das ist eine Gratwanderung, denn gleichzeitig gesteht die Kammer ein, dass die Herstellung von Arzneimitteln in Apotheken eben nicht perfekt läuft. „Aber was wäre die Alternative?“, fragt Langer. „Wenn man das nicht kommuniziert, dann ändert sich nie etwas.“ Und schließlich sind auch Dritte – Lokaljournalisten oder Verbraucherschützer – schon zu dem Schluss gekommen, dass nicht alles in Ordnung ist. Darum will die AKWL offen mit dem Thema umgehen.
Bei seinen Kollegen erlebt Langer unterschiedliche Reaktionen: Manche seien sehr engagiert, andere würden nur selten Rezepturen zubereiten und sich deshalb wenig für das Thema interessieren und manche würden es betriebswirtschaftlich sehen und feststellen, dass Rezepturen ein schlechtes Geschäft seien. Auch wenn Langer diese Haltung nachvollziehen kann – für richtig hält er sie nicht. „Man muss auch den Anspruch des Patienten sehen, ordnungsgemäß mit einem hochqualitativen Arzneimittel versorgt zu werden“, sagt er. Außerdem könnten sich Apotheken mit Rezepturen auch profilieren.
Der sechste Baustein von „RezepturFit“ sind Testkäufe. In den vergangenen Jahren fanden laut Langer rund 200 Prüfungen statt. In diesem Jahr sollen es 150 sein. Die Testkäufe werden den Apotheken angekündigt, sie erfahren aber nicht, wann und mit welcher Rezeptur sie auf die Probe gestellt werden. Im kommenden Jahr sollen dann 300 unangekündigte Tests durchgeführt werden. Auf diese Weise soll untersucht werden, ob das Programm Erfolg hatte.
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