Wegen eines Formfehlers auf zwei T-Rezepten hat die DAK Retaxationen in Höhe von fast 12.000 Euro gegen eine Apothekerin aus Baden-Württemberg ausgesprochen. Weil ein Kreuz auf den Verordnungen nicht korrekt gesetzt war, verweigert die Kasse die Zahlung. Die Einsprüche der Apothekerin wurden abgelehnt, sie erwägt nun rechtliche Schritte gegen die Kasse.
Ein Krebspatient hatte im Juni 2013 zwei Rezepte über das Lenalidomid-haltige Medikament Revlimid in der Apotheke eingereicht. Auf den T-Rezepten fehlte aber jeweils der Vermerk, dass der Patient über die Risiken des Wirkstoffs aufgeklärt war. Bei den teratogenen Wirkstoffen Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid muss die Beratung auf dem T-Rezept dokumentiert werden.
In der Apotheke war der Fehler aufgefallen. Die verordnende Ärztin in der Onkologie des städtischen Klinikums bedauerte den Vorfall und bestätigte zunächst telefonisch, später auch schriftlich, dass der Patient entsprechend aufgeklärt worden sei. Der Mann wird ohnehin schon seit zwei Jahren mit Revlimid behandelt. Da die Klinik rund 35 Kilometer von der Apotheke entfernt war, wurde der schwerkranke Patient versorgt.
Die Nullretaxation der DAK kam am 27. Dezember. Für beide Verordnungen zusammen sollte ein Betrag von 11.902,38 Euro abgesetzt werden. Die Apothekerin legte über den Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) Einspruch ein, doch die Kasse blieb bei ihrer Haltung. Auch auf erneuten Widerspruch des LAV erklärte die DAK Ende April endgültig, dass es bei der Retaxation bleiben werde.
Zur Begründung führte die Kasse an, die Apothekerin sei für die Prüfung der Rezepte selbst verantwortlich. Bei Revlimid handle es sich um ein Arzneimittel mit einem besonderen Gefahrenpotential. Die Einhaltung der Abgabebestimmungen sei hier zwingend erforderlich. Eine nachgereichte Arztbestätigung könne nicht anerkannt werden, zumal diese nicht maschinenlesbar sei.
Die Apothekerin hatte das Schreiben der Ärztin zusammen mit dem Rezept zur Abrechnung gegeben. Das Rechenzentrum hatte beides nach eigenem Bekunden an die Kasse geschickt. Damit war aus Sicht der Apothekerin ausreichend klargestellt, dass der Patient entsprechend den gesetzlichen Vorgaben aufgeklärt worden war.
Weil die Retaxationen für die Apotheke existenzbedrohend werden können, erwägt die Inhaberin rechtliche Schritte gegen die DAK. Das Bundessozialgericht hat Nullretaxationen zwar bereits für grundsätzlich zulässig erklärt.Andererseits läuft gegen dieses Urteil noch eine Verfassungsbeschwerde und es ist nicht auszuschließen, dass der besonders gelagerte Fall dieser Formretaxation von Gerichten anders bewertet wird.
Unabhängig davon will die Apothekerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, ihren Fall öffentlich zu machen, damit auch die Politik auf das Vorgehen der DAK aufmerksam wird. Immerhin hatte der CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich zuletzt angekündigt, die Große Koalition werde Nullretaxationen verbieten. Formretaxationen dieses Kalibers dürften die Politik in ihrem Ansinnen bestärken.
Ähnlich spektakuläre Fälle gab es schon in der Vergangenheit: Die Krankenkasse „BIG direkt gesund“ hatte im Herbst 2011 Retaxationen in Höhe von 35.000 Euro gegen einen Apotheker ausgesprochen. Auch in diesem Fall ging es um Revlimid. Der verordnende Arzt hatte auf fünf Rezepten ein Kreuz handschriftlich hinzugefügt. Nach öffentlichen Protesten hatte die Kasse die Retaxation schließlich zurückgezogen.
Im großen Stil BtM-Rezepte auf Formfehler untersucht hatte etwa zur selben Zeit die Rezeptprüffirma Protaxplus. Im Auftrag der Novitas BKK, BKK vor Ort und BKK Hoesch wurden gegen zahlreiche Apotheker vor allem in Nordrhein-Westfalen Nullretaxationen ausgesprochen. Schließlich mussten sich die Kassen auch in diesem Fall dem wachsenden öffentlichen Druck beugen. Die schwarz-gelbe Koalition hatte schon damals eine gesetzliche Regelung erwogen. Diese blieb nach der erfolgten Einigung jedoch aus. Beim Rahmenvertrag sind die Apotheker bislang aber nicht weiter gekommen.
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