Filialen teurer als Einzelapotheken APOTHEKE ADHOC, 31.05.2017 10:04 Uhr
Auf dem Apothekenmarkt vollzieht sich ein schleichender Konzentrationsprozess. 35 Prozent aller neu gegründeten oder übernommenen Apotheken sind nach einer Analyse der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) Filialen. Das Besondere: Apotheker sind bereit, für Filialen mehr Geld auf den Tisch zu legen als für Einzel- oder Hauptapotheken. Auch die Bereitschaft, ganze Apothekenverbünde zu übernehmen, ist weiter gestiegen. Schließlich variieren die erzielten Verkaufspreise je nach Standort ganz erheblich.
Dass Apotheken neu eröffnet werden, ist laut Apobank die Ausnahme: Von allen „Gründungen“ entfallen nur 3 Prozent auf echte neue Einzel- oder Hauptapotheken. Während sich diese Zahl seit 2014 konstant hält, ist der Anteil der neu eröffneten Filialen von 11 auf 4 Prozent gesunken.
Die meisten „Gründungen“ sind genau genommen Besitzerwechsel: Während der Anteil der übernommenen Haupt- und Einzelapotheken mit 56 Prozent annähernd stabil (2014: 54 Prozent) ist, ist die Quote der Apotheken, die vom neuen Besitzer als Filiale weiter betrieben werden, von 21 auf 31 Prozent gewachsen. Der Rest entfällt auf Pacht- und Gemeinschaftsapotheken, deren Anteil von 11 auf 6 Prozent gesunken ist.
„Die Ergebnisse zeigen eine entsprechend starke Bereitschaft, in die Expansion zu investieren“, sagt Georg Heßbrügge, Leiter Gesundheitsmärkte und -politik bei der Apobank. Er weist darauf hin, dass Apotheker mit dem Ziel der Filialisierung 2016 sogar mehr bezahlten als bei der Existenzgründung: Mit 432.000 Euro waren Filialen – materieller und ideeller Wert, ohne Warenlager und Investitionen – deutlich teurer als Haupt- und Einzelapotheken (396.000 Euro). Zwar sind in der letzteren Gruppe auch Existenzgründer enthalten, die mitunter kleinere Apotheken kaufen. Der Trend ist aber klar: Im Vorjahr war das Verhältnis mit 321.000 Euro versus 403.000 Euro noch umgekehrt.
Die Bereitschaft, ganze Apothekenverbünde zu übernehmen, stieg weiter an: 22 Prozent der Apotheken wurden 2016 im Paket gekauft; 2014 waren es noch 16 Prozent. Dabei wechselten in der Regel 2,1 Betriebsstätten den Besitzer. Der durchschnittliche Kaufpreis ohne Warenlager und Investitionen lag bei 964.000 Euro – und ist damit stark gestiegen: 2015 wurden 837.000 Euro bezahlt.
Mit einem Anteil von 33 Prozent waren die meisten Neueröffnungen und Übernahmen in Mittelstädten mit bis zu 100.000 Einwohnern zu verzeichnen – obwohl deren Anteil an der Gesamtbevölkerung nur bei 28 Prozent liegt. In Großstädten halten sich beide Quoten mit 32 beziehungsweise 31 Prozent die Waage. Auf Kleinstädte mit mindestens 5000 Einwohnern entfielen 26 Prozent der Gründungen, auf den ländlichen Raum 9 Prozent. Das ist unterdurchschnittlich, denn hier leben 30 beziehungsweise 11 Prozent der Deutschen. Laut Apobank entspricht das Gründungsgeschehen insgesamt der Bevölkerungsverteilung in Deutschland.
Auffällig ist dagegen, dass die höchsten Kaufpreise in Kleinstädten mit weniger als 20.000 Einwohnern gezahlt wurden: Dort kosteten Haupt- und Einzelapotheken – exemplarisch als größte Gruppe genannt – ohne Warenlager und Investitionen im Schnitt 490.000 Euro. Den Grund kennt die Apobank nicht. In Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern mussten Existenzgründer noch 429.000 Euro investieren. Deutlich billiger waren Apotheken in Großstädten ab 100.000 Einwohnern zu haben: Hier war eine Apotheke mit 296.000 Euro am günstigsten. In Dörfern mit unter 5000 Einwohnern wurden im Schnitt 301.000 Euro gezahlt.
Die Auswertung nach Region zeigt außerdem, dass die Übernahmepreise für Einzel- und Hauptapotheken in Baden-Württemberg und Bayern mit 430.000 Euro am höchsten ausfielen, ebenfalls ohne Warenlager und Investitionen. Auch in Norddeutschland (Schleswig-Holstein, Niedersachen, Hamburg, Bremen) sind Apotheken mit 424.000 vergleichsweise teuer. Dagegen wurden in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland im Schnitt nur 387.000 Euro gezahlt. Schlusslicht bilden mit einem Durchschnittspreis von 341.000 Euro die neuen Bundesländer.
Damit ist im Osten der Kaufpreis mittlerweile vom Umsatz abgekoppelt. Offenbar fehlt es hier nicht nur an Kaufkraft, sondern auch an Perspektive. Dabei ist in den neuen Bundesländern nicht nur die Apothekendichte geringer. Auch die Investitionen nach der Übernahme liegen mit durchschnittlich 9000 Euro deutlich unter denen in den alten Bundesländern: In Süddeutschland müssen sogar 52.000 Euro in die Modernisierung übernommener Einzel- und Hauptapotheken investiert werden.
Allerdings weist Heßbrügge darauf hin, dass es den „typischen Übernahmepreis“ genauso wenig gibt wie die typische Apotheke. Insofern bildeten die Durchschnittswerte nicht die tatsächlichen Marktpreise ab. Beispiel Einzel- und Hauptapotheken: Hier wurden in 26 Prozent der Fälle weniger als 150.000 Euro gezahlt. 22 Prozent der Apotheken waren dagegen teurer als 600.000 Euro. „Der Apothekenmarkt bleibt sehr heterogen“, sagt Heßbrügge. „Wir beobachten seit Jahren eine immer größer werdende Marktspreizung bei den Betriebsergebnissen, die sich dementsprechend auch in den Übernahmepreisen widerspiegelt. Wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung auch zukünftig fortsetzen wird.“
Den Ergebnissen liegt eine Stichprobe von 230 Gründungen zugrunde, die die Apobank im vergangenen Jahr begleitet hat. Die Daten wurden anonymisiert ausgewertet.