Nicht in Berlin, nein in Sachsen kommt es in diesen heißen Sommertagen zum Showdown über die Apothekenreform. Weil Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach seinem Wahlkampftermin in Chemnitz noch einen Tag dranhängte, um Land und Leute kennenzulernen, kam es zum direkten Zusammentreffen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP), der ebenfalls auf Wahlkampftour unterwegs war. Und so folgte auf den Straßen der Erzgebirgsmetropole der Fight des Jahres.
Weder SPD noch FDP haben bei der Landtagswahl in Sachsen derzeit gute Chancen, daher luden sich die beiden Spitzenkandidaten in dieser Woche Prominenz aus Berlin ein: Lauterbach tingelte am Dienstag mit Petra Köpping durch verschiedene Gesundheitseinrichtungen in Chemnitz, Lindner trat am Donnerstag mit Robert Malorny in Zwickau und ebenfalls in Chemnitz auf.
Und wie es der Zufall wollte, kam es so zu einem Zusammentreffen weitab der üblichen Gelegenheiten, bei denen man sich in der Hauptstadt so über den Weg läuft. Und wie es manchmal so geht, schaukelte sich das Gespräch schnell hoch: Warum man ihn denn die Apothekenreform so düpiert habe, wollte Lauterbach von Lindner wissen. Der konterte prompt, dass die Urlaubspläne von Justizminister Marco Buschmann ja wohl niemanden etwas angingen.
Ein Wort ergab das andere, und schon stand die Idee im Raum, die Sache hier und jetzt zu Ende zu bringen: Ärmel hochkrempeln, kurzes Armdrücken und der Fall wäre ein für alle Mal entschieden. Allerdings: Zum Showdown kam es leider nicht, weil eine Horde Freier Sachsen die beiden streitenden Spitzenpolitiker entdeckte, die daraufhin von ihren Sicherheitskräften entzweit und außer Gefahr gebracht wurden.
Aber auch wenn es nicht zum physischen Duell kam, brach sich der Konflikt der Regierung über die Apothekenreform in dieser Woche in Sachsen tatsächlich seine Bahn. Lauterbach hatte zwar nur ein Treffen mit Klinikchefs, einen Besuch in einer Pflegeeinrichtung und eine Diskussionsrunde mit Ärzt:innen in seinem Terminkalender, für einen Apothekenbesuch war keine Zeit oder keine Lust. Aber bei einer Bürgerveranstaltung am Abend brachten mehrere Pharmazeutinnen und Pharmazeuten das Thema doch noch auf die Agenda.
Es gebe einen Dissens in der Frage, ob Apotheken auch ohne Apothekerin und Apotheker vor Ort betrieben werden, räumte Lauterbach ein. Er warb für seine Idee – mit der eindringlichen Mahnung, dass das Apothekensterben sonst ungebremst weitergehe. „Dann verlieren wir weiter ein paar hundert Apotheken pro Jahr und haben keine Perspektive. Daher bitte ich Sie nur: Nehmen Sie mir wenigstens den guten Willen ab bei dieser wichtigen Reform, über die wir noch lange diskutieren werden.“
Ähnlich schmackhaft zu machen versuchte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt die Reform in ihrer eigenen Fraktion: „Viele von euch werden derzeit vor Ort mit Kampagnen der Apothekerschaft konfrontiert“, heißt es in einem Schreiben an die Abgeordneten. „Wir sollten uns durch die anhaltenden Diskussionen über die Sommerpause hinweg nicht verrückt machen lassen und zunächst auf die konkrete Ausgestaltung der Apothekenreform in der kommenden Kabinettsfassung des Gesetzentwurfs hinweisen.“
„Da brennt der Baum“, lautet die Einschätzung aus einem Abgeordnetenbüro. Zwei Wochen vor einem geplanten Kabinettsbeschluss einen solch verzweifelten Liebe-Freund-Brief zu verschicken, sei mehr als ungewöhnlich. Und tatsächlich lässt auch Lauterbach selbst erste Absetzbewegungen erkennen: Nicht nur dass er den Dissens mit der Apothekerschaft einräumte, über den man noch diskutieren müsse. Gleich zweimal sprach er in Chemnitz auch von einer „Apothekenhonorarreform“ – und nicht mehr von einer „Honorar- und Strukturreform“.
Aber wie schon erwähnt, Lauterbach liegt sich nicht nur mit den Apothekerinnen und Apothekern diesbezüglich über Kreuz, sondern auch mit dem Koalitionspartner FDP. Lindner gab in Sachsen öffentlich zu Protokoll, dass die Apotheke ohne Approbierte für ihn kein Modell sei. Und parallel organisierte der CDU-Abgeordnete Tino Sorge noch die Aussage aus dem Justizministerium, dass die Rechtsförmlichkeitsprüfung mehr als eine reine Formalie sei und jedenfalls nicht, wie von Lauterbach behauptet, aufgrund des Urlaubs von Ressortchef Marco Buschmann verzögert worden sei. Deutlicher kann man wohl im Politikbetrieb nicht werden.
„Der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung zu diesen Themen ist noch nicht abgeschlossen“, bestätigte dann auch ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Das klingt ganz anders als noch vor einigen Wochen, als die Ressortabstimmung angeblich längst abgeschlossen war.
Gut möglich also, dass in zwei Wochen ein neuer Kabinettsentwurf vorliegt, aus dem die Light-Filialen (oder wie Lauterbach sie nennt: „Tochter-Apotheken“) erst einmal gestrichen sind. Das wäre ein wichtiger Zwischenerfolg – und der Auftakt für einen langen und intensiven Verhandlungsmarathon.
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