Substitution, Rezeptur, Defektur

Fiebersaft auf Rezept: Was ist zu tun? Sandra Piontek, 22.07.2022 11:08 Uhr

Begehrte Ware: Apotheken müssen sich bei Fiebersäften mit Alternativen beschäftigen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Fiebersäfte sind derzeit kaum zu bekommen, was können Apothekenmitarbeiter:innen also tun, wenn ein Rezept vorgelegt wird? Alle drei Szenarien sind nicht ohne Probleme.

Austausch

Momentan ist als Alternative zum Paracetamol-Saft von Ratiopharm nur noch Benuron überhaupt am Markt erhältlich. Andere Hersteller wie Hexal und Stada hatten ihre Fiebersäfte 2021 außer Handel genommen, als letzter Anbieter verabschiedete sich im Mai auch noch 1A Pharma.

Das Problem: Selbst wenn Apotheken an den Saft von Benuron kommen, müssen die Eltern plötzlich eine Aufzahlung leisten. Der Saft von Ratiopharm ist zum Festbetrag von 3,14 Euro erhältlich. Der Benuron-Saft kostet 5,25 Euro. Die Differenz muss vom Patienten übernommen werden, da die Kassen nur beim Ausfall eines Rabattarzneimittels die Mehrkosten übernehmen. Die letzten Rabattverträge für das Ratiopharm-Präparat mit DAK und TK sind bereits im Jahr 2021 ausgelaufen.

Rezeptur

Ist ein Fertigarzneimittel verordnet, aber nicht lieferbar, kann die Rezepturherstellung zwar die Versorgung sichern. Allerdings liegt der Preis mit rund 20 Euro deutlich höher: Taxiert werden muss nicht nur der Wirkstoff, sondern auch ein geeignetes Gefäß. Eine Dosierhilfe mit passendem Stopfen darf ebenfalls nicht fehlen. Da der Wirkstoff Paracetamol in seiner reinen Form sehr bitter schmeckt, muss auf ein Aroma zurückgegriffen werden. Die Lösungsgrundlage Syrspend treibt den Preis für die Rezeptur weiter nach oben.

Aber ist der Tausch überhaupt erlaubt? Die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung lässt verschiedene Ausnahmen in puncto Rezeptbelieferung zu. Ein Austausch von Fertigarzneimitteln durch Rezepturen ist nicht aufgeführt.

DAV/GKV: Neues Rezept

Laut GKV-Spitzenverband muss ein neues Rezept angefordert werden: „Die Arzneimittelverschreibungsverordnung sieht für Fertigarzneimittel und Rezepturen unterschiedliche Regelungen vor“, so eine Sprecherin auf Nachfrage. Fertigarzneimittel könnten nach Sozialgesetzbuch (SGB V) unter den dort genannten Regelungen ausgetauscht werden. „Entsprechende Regelungen existieren für den Austausch von Fertigarzneimitteln und Rezepturen nicht. Wir empfehlen daher für den beschriebenen Fall ein neues Rezept vom Arzt ausstellen zu lassen.“ Erst wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen offiziellen Lieferengpass feststelle und Rezepturen als Alternativversorgung vorsehe, könnten GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) „pragmatische Lösungen besprechen“.

Der DAV sieht es genauso und weist auf das Retaxrisiko hin: „Hinsichtlich der Herstellung einer Rezeptur bei Lieferengpässen ist es aus Sicht des DAV die retaxationssicherste Variante, ein neues Rezept mit der Verordnung der Rezeptur in der Arztpraxis abzufragen“, so ein Sprecher. „Die Abgabe einer Rezeptur oder Defektur, obwohl ein Fertigarzneimittel verordnet wurde, stellt unserer Ansicht nach ein erhöhtes Retaxationsrisiko dar.“ Auch der DAV sieht Möglichkeiten für Sonder- und Ausnahmeregelungen erst dann, wenn ein Versorgungsengpass offiziell festgestellt wurde. „Somit eröffnet sich ein größerer Handlungsspielraum.“

Hashwert muss aufgedruckt werden

Erleichterungen wären schon deswegen erforderlich, weil für Rezepturen seit Kurzem neue Regelungen bei der Taxation gelten: Seit 1. Juli muss stets der Hashwert auf das Rezept gedruckt werden. Die 40-stellige Zahl wird in die 2. und 3. Taxzeile auf dem Muster-16-Formular aufgedruckt. Somit sind diese Zeilen belegt und könnten keine weiteren Arzneimittel, die gegebenenfalls auf demselben Rezept verordnet wurden, abgerechnet werden.

Extrarezept für Rezeptur

Rezepturen müssen ohnehin auf einem gesonderten Rezept verordnet werden. Fertigarznei- oder Hilfsmittel gehören nicht mit auf diese Verordnung. Daher ist es derzeit ratsam, eine explizite Verordnung über eine Rezeptur bei der Praxis anzufordern – denn dann liegt das wirtschaftliche Risiko bei der verschreibenden Person.

Defektur

Bei Schnelldrehern wie Fiebersäften kann die Umstellung auf Rezepturen den Apothekenbetrieb massiv beeinträchtigen. Naheliegend wäre daher die Herstellung größerer Mengen als Defektur. Doch dafür bedarf es laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) einer häufigen Verschreibung durch Ärzte. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Zubereitungen die Ausnahme bleiben – und nicht in Konkurrenz zu zugelassenen Präparaten stehen.

„Für die Herstellung von Defekturen ist es grundsätzlich notwendig, dass die Zubereitungen aufgrund häufiger ärztlicher Verordnungen nachgefragt werden“, betont auch der GKV-Spitzenverband. „Dies wäre dann der Fall, wenn ein Versorgungsengpass festgestellt würde und Ärzte Paracetamolsäfte oder –zäpfchen als Rezeptur verordnen würden.“ Erste Apotheken haben bereits bei ihrer Aufsichtsbehörde eine Ausnahmeregelung beantragt, um bis zu 100 Säfte pro Tag herstellen zu können.

Sonder-PZN und Defektbeleg

Wird das Rezept mit der Rezeptur bedruckt, muss der Lieferengpass per Sonder-PZN dokumentiert werden. In diesem Fall ist das Faktor 3 – kein Rabattvertrag und Mehrkosten. Die Defektmeldungen vom Großhändler sollten zur Sicherheit dokumentiert werden, um bei späteren Retaxationen einen Beleg vorweisen zu können.