Zuzahlung: 230 PZN sind jetzt teurer APOTHEKE ADHOC, 04.07.2016 13:00 Uhr
Seit Freitag müssen Kassenpatienten bei deutlich mehr Arzneimitteln Zuzahlungen leisten. Weil die Kassen die Festbeträge für 13 Gruppen drastisch abgesenkt haben, können die Hersteller den 30-prozentigen Preisabstand nicht mehr halten, der für die Befreiung notwendig ist. Zahlreiche Schnelldreher sind betroffen. Auch Aufzahlungen sind bei einzelnen Präparaten möglich, die über Festbetrag liegen.
Für 5554 Arzneimittel wurden über Nacht die Festbeträge angepasst; 61 Wirkstoffe und Kombinationen waren betroffen. Im Durchschnitt sanken die Preise um 10 Prozent, Setrone und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) waren laut einer Analyse der Unternehmensberatung Ecker + Ecker mit 15 beziehungsweise 23 Prozent stärker betroffen. Am massivsten war der Preisrutsch bei den neu gebildeten Jumbogruppen Angiotensin-II-Antagonisten/Hydrochlorothiazid und Antipsychotika: Die Festbeträge liegen im Durchschnitt 30 beziehungsweise 45 Prozent unter den derzeitigen Preisen.
Auch wenn die Anpassung insgesamt glimpflicher ausfiel als frühere Runden: Die Patienten bekommen die Sparmaßnahme direkt zu spüren. Nach Berechnungen des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) ist die Anzahl der bislang zuzahlungsbefreiten Arzneimittel zum 1. Juli in den betroffenen Festbetragsgruppen um etwa 40 Prozent zurückgegangen: Aktuell sind nur noch 335 Präparate zuzahlungsbefreit, vor dem 1. Juli lag die Zahl noch bei rund 560 Präparaten.
Insbesondere die Gruppe der Sartane im Kombination mit HCT ist betroffen: Statt rund 250 sind nur noch 105 PZN von der Zuzahlung befreit. Auch bei den Protonenpumpenhemmern (PPI) hat sich die Zahl von 124 auf 66 halbiert, genauso wie bei den Triptanen (41 statt 96). In der Gruppe ACE-Hemmer/Calciumkanalblocker gibt es nur noch 18 zuzahlungsbefreite Alternativen statt vorher 27, bei den Setronen noch 9 statt 19. Bei den Glucocorticoiden zur nasalen Anwendung sank die Zahl von 18 auf 6, bei den inhalativ oralen B2-Sympatomimetika von 5 auf 3. Bei den anderen Gruppen gab es auch vorher keine Präparate ohne Zuzahlung.
Gleichzeitig müssen Patienten für mehr Arzneimittel sogenannte Aufzahlungen leisten: Die Zahl der Medikamente, bei denen die Versicherten die Differenz zwischen Preis und Festbetrag aus eigener Tasche zahlen müssen, stieg von circa 700 auf mehr als 1300 Präparate – alleine in den von der Absenkung betroffenen Gruppen.
Hier ist ein Anstieg in allen Gruppen zu sehen; allerdings sind mitunter Wirkstoffe betroffen, die nur von einzelnen Herstellern angeboten werden und angesichts der massiven Mehrkosten ohnehin keine Option für Kassenpatienten sind. Bei den klassischen Generika sind beispielsweise Risperidon (Aurobindo, Hennig, Mylan, Stada), Escitalopram (Aurobindo, Axcount, Micro Labs) sowie Citalopram von Holsten und Candesartan comp. von Aurobindo betroffen. Weitere Beispiele sind Ondansetron (Aurobindo, Hexal, Ratiopharm), Esomeprazol von Mylan, Lansogamma (AAA/Wörwag) sowie Pantoprazol und Rabeprazol von Aurobindo.
Glück im Unglück: Bei diesen Wirkstoffen gibt es noch Ausweichmöglichkeiten; die Anbieter mit Rabattvertrag übernehmen laut Vereinbarung mit der jeweiligen Kasse durchweg die Mehrkosten.
Für den BAH ist das Fazit klar: Die Festbetragsanpassung komme Patienten teuer zu stehen, kommentierte Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer. „Mit den regelmäßigen Festbetragsabsenkungen zieht der GKV-Spitzenverband seit Jahren die Daumenschrauben für die Industrie immer stärker an. Es muss anerkannt werden, dass Preisabsenkungen endlich sind. In der Folge können viele Hersteller die Preise nicht mehr entsprechend der neuen Festbeträge absenken“, so Kortland.