Lieferengpässe machen den Apotheken seit langem die Versorgung der Patient:innen schwer. Mitunter müssen die Kolleg:innen „zaubern“. Das kostet Zeit und mitunter Monate später auch Geld – viel Geld. Wie im aktuellen Fall. Denn die AOK hat die Festbetragsaufzahlung retaxiert, und zwar in mehreren Fällen. Apotheker Dominik Mörchen aus Meschede ist sauer und fassungslos.
Ist kein aufzahlungsfreies Arzneimittel lieferbar und kann nur mit einem Arzneimittel versorgt werden, das den Festbetrag übersteigt, lohnt ein Blick in das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz. Nach § 129 Absatz 4c Sozialgesetzbuch (SGB) V müssen die Vertragspartner (Kasse und Unternehmen) eine bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten mit rabattierten Arzneimitteln sicherstellen. Ist ein rabattiertes Arzneimittel bei Rezeptvorlage nicht verfügbar, ist die Apotheke unmittelbar zur Abgabe eines lieferbaren wirkstoffgleichen Arzneimittels nach Maßgabe des § 129 Absatz 1 Satz 2 berechtigt. Ist kein Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar, trägt die Krankenkasse abweichend die Mehrkosten und nicht der/die Patient:in. Außerdem hatten einige Kassen während der Pandemie auf die Aufzahlung verzichtet.
Darauf verlassen, können sich die Apotheken nicht. „Ich dachte, wir dürfen das?“ Apotheker Dominik Mörchen hat verschiedene Festbetrags-Retaxationen erhalten – allesamt von der AOK. Die Begründung: „Mehrkosten zu Lasten der GKV nur bei Nichtverfügbarkeit eines Rabattpartners und keine Alternative unterhalb des Festbetrages abrechnungsfähig. […] ggf. Nichtverfügbarkeitsnachweise nachreichen.“
Betroffen sind unter anderem Verordnungen über Citalopram, die nur mit Cipramil versorgt werden konnten, sowie Candesartan, als nur Atacand verfügbar war und die Kombi Ezetimib und Atorvastatin, die ebenfalls nur mit dem Original beliefert werden konnten. Da fallen schnell hundert Euro pro Rezept an. Für alle Arzneimittel gab es Rabattverträge, die aufgrund von Lieferengpässen nicht bedient werden konnten. Und auch sonst, waren die Schübe mit generischen Präparaten, die entsprechend der Abgaberangfolge geliefert werden müssen, leergefegt.
Mörchen hat nicht nur die entsprechenden Sonder-PZN und handschriftlichen Vermerke auf den Rezepten dokumentiert, sondern auch die Defektnachweise im System festgehalten. So konnten die Tagesanfragen auch nach Monaten noch ausgedruckt und an die AOK geschickt werden – 50 Seiten, per Fax. „Wir müssen einen elektronischen Kostenvoranschlag einreichen und die Kasse hat nur ein Fax für Defektbeleg“, für den Apotheker kaum zu fassen. „Die Kassen wissen, doch, was nicht lieferbar ist. Das ist doch Schikane.“
„Ich bin gespannt, was nächste Woche noch per Post kommt“, so Mörchen. Für den klar ist, dass eigentlich die Rabattpartner, die nicht liefern konnten, die Kosten übernehmen müssen und nicht die Patient:innen und erst recht nicht die Apotheke. „Wenn das so weiter geht, können wir bald nur noch zulasten der Kund:innen liefern. Es interessiert niemanden, welchen Aufwand wir betreiben, um die Versicherten zu versorgen. Das ist der Dank.“
Die Kasse schweigt bislang. Eine Stellungnahme steht noch aus.
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