Corona-Tests gehören mittlerweile fest zum Apothekensortiment. Für Apothekerin Katharina Douglas und ihre Löwen-Apotheke in Hennigsdorf könnten sie nun jedoch zum Verhängnis werden: Denn ihre bestellten Lollytests scheinen nicht zu funktionieren und liefern ständig falsch-negative Ergebnisse. Die Behörden fühlen sich nicht zuständig, weil der Test zumindest bei nasaler Anwendung zu funktionieren scheint. Douglas weigert sich, die Rechnung zu bezahlen – nun droht der Lieferant mit einem Inkasso-Unternehmen.
Lollytests sind vor allem für die Kleinsten angenehm durchzuführen. Besonders in Kitas und Schulen – aber auch für Tests zu Hause – sind sie deshalb beliebt. Wegen der erhöhten Nachfrage ließ auch Douglas sich Anfang des Jahres dazu überreden, entsprechende Tests eines chinesischen Herstellers in größerer Menge zu bestellen – sie sind wesentlich teurer als herkömmliche Nasal-Tests. Als eine Mitarbeiterin und ihr Kind an Corona erkrankten, verwendeten auch sie die bestellten Lollytests – doch die schlugen nicht an.
Douglas wurde skeptisch und testete sie an verschiedenen, nachweislich positiven Personen in ihrem Umfeld. In der vergangenen Woche erkrankte auch ihr Sohn an Covid-19. „Bei allen zeigte der Test ein negatives Ergebnis an“, berichtet sie. Deshalb dokumentierte sie die Anwendung und Testergebnisse per Bild und Video. Alle ein bis zwei Tage wendet sie die Tests an – jedes Mal mit dem gleichen Ergebnis. Einige Privatpersonen und auch Kitas hätten bereits Ähnliches berichtet und den Eltern daraufhin die nasale Anwendung der Tests empfohlen. „Also habe ich das bei meinem Sohn auch probiert – und der Test war sofort positiv.“
Mittlerweile hat sie die Tests an rund 20 Personen getestet – alle fielen trotz nachgewiesener Infektion negativ aus. Die Apothekerin ist sich daher sicher, dass die Tests mit Speichel nicht funktionieren. Also setzte sie sich mit dem Lieferanten in Verbindung und schilderte die Problematik. Da jedoch kein Rückruf seitens des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angeordnet wurde, weigert das Unternehmen sich, die Tests zurücknehmen: „Solange es von Seiten der Bfarm keinen Rückruf gibt, werden wir den Artikel nicht zurücknehmen. Trotz allem rechtfertigt ihre Reklamation nicht, dass sie die Rechnung nicht bezahlen“, heißt es in einer E-Mail des Lieferanten. „Deshalb bleibt es dabei, dass wir bei nicht bezahlen der Rechnung ein Inkasso Unternehmen beauftragen werden.“
Douglas kontaktiert daraufhin selbst die entscheidenden Stellen, darunter auch BfArM, Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Das Ziel: „Ich muss schnellstmöglich versuchen, einen Rückruf zu erwirken“, so die Apothekerin.
Als sie bei der CE-Kennzeichungsstelle des Tests anrief, teilte ihr ein Mitarbeiter mit, dass lediglich die Swabs der Tests geprüft wurden – nicht aber der Test selbst. „Er sagte mir außerdem, dass ihm unklar sei, wie die Tests mit Speichel überhaupt funktionieren sollen“, berichtet Douglas. Viele Tests seien zu Beginn der Pandemie nur in-vitro getestet und einfach durchgewunken worden. Es liege also nicht am Test selbst, sondern der Art des Abstrichs. „Mit Speichel scheint das einfach nicht zu funktionieren, weil die Konzentration zu niedrig ist“, so die Apothekerin.
Das PEI bestätigt, dass Selbsttests zwar von der „Benannten Stelle“ geprüft werden, bevor sie die CE-Kennzeichnung erhalten. Kontrolliert wird aber nur die Laientauglichkeit – nicht jedoch die Leistungsfähigkeit, also Sensitivität und Spezifität. Das wiederum obliegt im Fall der Coronatests der Behörde, doch die wiederum prüft nur den Test – nicht die Abstrichmethode.
So erklärt sich, dass in Douglas‘ Fall der Test des Herstellers in der Version zur nasalen Anwendung die Kontrolle durch PEI bestanden hat und nach wie vor als Profitest gelistet ist. Die Behörde erklärt dazu auf Nachfrage: „Die Lollitests, die in den Kindergärten als Selbsttests eingesetzt werden sind ‚baugleich‘ zu Profitests, die das Paul-Ehrlich-Institut untersucht hat. Das heißt, alles NACH der Probennahme ist identisch. Das Ergebnis der Evaluierung kann seitens BfArM auf baugleiche Produkte mit abweichendem Test-/ Herstellernamen oder andere Probentypen übertragen werden, dies gilt auch für Selbsttests.“
Baugleiche Produkte würden dann in den Listen des BfArM „Antigen-Tests nach § 1 Satz 1 Coronavirus-TestV zur professionellen Anwendung“ und „Antigen-Tests nach § 1 Satz 1 Coronavirus-TestV zur Eigenanwendung“ unter „Evaluierung PEI“ ebenfalls mit „Ja“ gekennzeichnet. Meldungen über Mängel von Antigentests seien nach aktueller Rechtslage (IVD-Richtlinie) noch an das BfArM zu richten, das als „zuständige Behörde“ für Vorkommnisse bei solchen Tests fungiert.
Douglas hat ihre Beobachtungen bereits beim BfArM gemeldet, der Hersteller hat nun vier Wochen Zeit darauf zu reagieren. Sie will auch andere Apotheker:innen ermutigen, ihre Lollytests zu überprüfen und gegebenenfalls zu reklamieren. „Es kann doch nicht Sinn und Zweck sein, die Tests nasal anzuwenden, obwohl sie dafür gar keine Zulassung haben“, sagt sie.
Die Apothekerin kann nicht verstehen, dass es eine solche Regelungslücke gibt: „Gerade in dieser Patientengruppe finde ich es unverantwortlich, solche Tests auf dem Markt zu lassen – sie gehören vom Markt genommen.“ In den Medien habe sie bereits einige Berichte zum Thema gefunden; viele Schulen und Kitas hinterfragen die Anwendung ihrer Meinung nach aber gar nicht – und machen deshalb auch keine Meldungen.
Über 2000 Euro soll Douglas für die nicht funktionierenden Tests zahlen. „Das werde ich nicht tun“, stellt sie klar. „Ich kann keine Tests verkaufen, von denen ich weiß, dass sie nicht funktionieren.“ Dennoch macht der Lieferant Druck: Mittlerweile ist die zweite Mahnung in die Apotheke geflattert – bis Mittwoch hat sie Zeit, die Rechnung zu begleichen, ansonsten soll das Inkasso-Unternehmen eingeschaltet werden.
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