Faktencheck: Kassennachschau APOTHEKE ADHOC, 28.12.2017 08:58 Uhr
Ab Anfang kommenden Jahres hat die Finanzverwaltung mit der Kassennachschau ein neues Instrument zur Hand: Sie kann in die Apotheken spazieren, die Buchhaltung Kasse ohne Voranmeldung prüfen und bei Ungereimtheiten sofort zur Betriebsprüfung übergehen. Im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Apothekensoftwarehäuser (ADAS) hat der Düsseldorfer Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger die wichtigsten Fakten zusammengetragen und ein Merkblatt erstellt, das in der Offizin ausliegen sollte mit der Weisung an die Mitarbeiter, dass die Kassennachschau ausschließlich Chefsache ist. Dieses Merkblatt haben an die ADAS angeschlossene Apotheken-Softwarehäuser in den vergangenen Tagen ihren Kunden kostenfrei zur Verfügung gestellt.
1. Wie lautet die gesetzliche Regelung (§ 146b AO)?
„Absatz 1: Zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben können die damit betrauten Amtsträger der Finanzbehörde ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung, während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume von Steuerpflichtigen betreten, um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können (Kassen-Nachschau). Der Kassen-Nachschau unterliegt auch die Prüfung des ordnungsgemäßen Einsatzes des elektronischen Aufzeichnungssystems nach § 146a Absatz 1. Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.
Absatz 2: Die von der Kassen-Nachschau betroffenen Steuerpflichtigen haben dem mit der Kassen-Nachschau betrauten Amtsträger auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Kassenführung erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen über die der Kassen-Nachschau unterliegenden Sachverhalte und Zeiträume vorzulegen und Auskünfte zu erteilen, soweit dies zur Feststellung der Erheblichkeit nach Absatz 1 geboten ist. Liegen die in Satz 1 genannten Aufzeichnungen oder Bücher in elektronischer Form vor, ist der Amtsträger berechtigt, diese einzusehen, die Übermittlung von Daten über die einheitliche digitale Schnittstelle zu verlangen oder zu verlangen, dass Buchungen und Aufzeichnungen auf einem maschinell auswertbaren Datenträger nach den Vorgaben der einheitlichen digitalen Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten trägt der Steuerpflichtige.
Absatz 3: Wenn die bei der Kassen-Nachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben, kann ohne vorherige Prüfungsanordnung zu einer Außenprüfung nach § 193 übergegangen werden. Auf den Übergang zur Außenprüfung wird schriftlich hingewiesen.“
2. Ab wann gilt diese Regelung?
Die Kassen-Nachschau ist zulässig ab dem 01.01.2018.
3. Gibt es eine Verwaltungsanweisung zur Kassen-Nachschau?
Mit Stand vom 30.11.2017 gibt es weder eine Verwaltungsanweisung des Bundes noch der Bundesländer. Die BMF-Schreiben zur Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) vom 23.12.2002 und zur Lohnsteuernachschau (§ 42g EStG) vom 16.10.2014 gelten entsprechend.
4. Wer ist Ansprechpartner bei der Durchführung der Kassen-Nachschau?
Nur der Inhaber der Apotheke. § 146b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AO sprechen vom (betroffenen) Steuerpflichtigen, § 146b Abs. 1 Satz 3 AO zusätzlich vom Inhaber. Damit scheiden Mitarbeiter des Apotheken-Inhabers als Ansprechpartner für die konkrete Durchführung der Kassennachschau aus.
5. Was passiert, wenn der Inhaber der Apotheke nicht anwesend ist?
Wenn der Inhaber der Apotheke nicht anwesend ist, hat der Kassen-Nachschauer das anwesende Personal aufzufordern, ihn herbeizubitten. Ist dem Inhaber wegen der großen Entfernung oder wegen eines anderweitigen Termins nicht zumutbar, in die Apotheke zu kommen, ist die Kassen-Nachschau abzubrechen. Von dieser Möglichkeit sollte seitens des Apothekers nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden, da bei der sogenannten „Totalverweigerung“ die Vorgabe lauten wird, in die Betriebsprüfung zu wechseln, was der Kassen-Nachschauer direkt veranlassen kann.
6. Wer ist bei der Kassen-Nachschau einer Filiale zuständig?
Nur der Inhaber, nicht der Filialleiter. Der Filialleiter ist weder betroffener Steuerpflichtiger noch Inhaber, regelmäßig nicht einmal für die wirtschaftliche und kaufmännische Leitung der Filiale zuständig, ja nicht einmal leitender Angestellter, sondern hat nur pharmazeutisch die „persönliche Leitung“. Würde man den Filialleiter bei der Kassen-Nachschau als Auskunfts- und Vorlagepflichtigen adressieren, wäre der Inhaber gezwungen, dem Filialleiter Zugang zu seinen existentiellen, wirtschaftlichen Daten zu gewähren. Das dürfte nicht zumutbar sein. Das Personal sollte also den Inhaber informieren. Kommt der Inhaber direkt zeitnah in die Apotheke, wird der Prüfer auf ihn warten, andernfalls die Prüfung abbrechen müssen, sofern der Inhaber den Filialleiter nicht (am besten vorab) ausnahmsweise legitimiert, dem Kassen-Nachschauer die angeforderten Informationen zu geben.
7. Darf man die Kassen-Nachschau verweigern?
Nein, man hat auch keinen Anspruch auf eine Vertagung der Kassen-Nachschau, außer der Inhaber der Apotheke ist nicht verfügbar (siehe Ziff. 5).
8. Wer führt die Kassen-Nachschau durch?
Nach dem Gesetzeswortlaut führt die Kassen-Nachschau ein „Amtsträger“ durch. Dazu gehören insbesondere Verwaltungsangestellte im Finanzamt, nicht zwingend Beamte, auch nicht zwingend Außenprüfer. Hilfskräfte bei öffentlichen Aufgaben (z.B. Registratur- und Schreibkräfte) kommen danach als Kassen-Nachschauer aber nicht in Betracht.
9. Muss sich der Kassen-Nachschauer sofort als solcher zu erkennen geben?
Nein, der Kassen-Nachschauer darf auch einen Testkauf durchführen und sich zunächst verdeckt vergewissern, ob der Inhaber der Apotheke im Geschäftslokal anwesend ist.
10. Gilt für die Kassen-Nachschau die Betriebsprüfungsordnung (BpO)?
Nein, da sie keine Außenprüfung ist. Gemäß § 1 Abs. 1 und 2 BpO ist die BpO damit auf Kassen-Nachschauen nicht unmittelbar anwendbar. Zu erwarten ist, dass in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 2 BpO der Kassen-Nachschauer kein Beamter sein muss, da § 25 BpO für Lohnsteueraußenprüfung und Umsatzsteuersonderprüfung auch schon nicht gilt.
11. Muss sich der Kassen-Nachschauer ausweisen?
Ja. Er muss einen Dienstausweis und ein Schriftstück des Finanzamtes vorlegen, das ihn zur Kassen-Nachschau im konkreten Fall legitimiert. Dieses zusätzliche Schriftstück wird man verlangen müssen, da die BpO für die Kassen-Nachschau nicht gilt. Ein Dienstausweis allein wird nicht reichen, solange § 1 Abs. 2 nicht um die Kassen-Nachschau mit entsprechender Anwendung des § 29 BpO ergänzt wurde.
12. Wann findet die Kassen-Nachschau statt?
„Zur geschäftsüblichen Zeit“. In der Praxis sind dies beim Einzelhandel nur die Öffnungszeiten. Dass jemand schon oder noch in der geschlossenen Apotheke außerhalb der Öffnungszeiten arbeitet, ermächtigt nicht zur Kassen-Nachschau.
13. Muss der Kassen-Nachschauer auf einen Steuerberater/Anwalt warten?
Der Inhaber der Apotheke darf seinen Steuerberater oder Anwalt hinzuziehen. Der Kassen-Nachschauer muss auf den Berater aber nicht warten.
14. Was wird bei der Kassen-Nachschau geprüft?
Der Kassen-Nachschauer darf überprüfen,
- ob das Kassenbuch in der Apotheke korrekt geführt wird,
- ob sämtliche Zahlungsvorgänge über das Kassensystem erfasst werden,
- ob eine Verfahrensdokumentation des Herstellers und eine Anwenderdokumentation des Apothekers vorliegen,
- ob die Kasse kassensturzfähig ist.
Erst ab 2020 darf der ordnungsgemäße Einsatz des elektronischen Aufzeichnungssystems geprüft werden. Die Überprüfung der generellen Einhaltung der GoBD ist nur Gegenstand einer Betriebsprüfung, nicht der Kassen-Nachschau.
15. Wie wird die Kassensturzfähigkeit geprüft?
Der laufende Geschäftsbetrieb ist kurz zu unterbrechen, zum Bar-Bestand vom Geschäftsschluss des Vortages werden die Bareinnahmen und –ausgaben des laufenden Tages hinzu addiert und mit dem Kassen-Ist-Bestand verglichen. Es darf sich bei ordnungsgemäßer Kassenführung nur eine geringe Differenz ergeben aus typischen Kassendifferenzen, die insbesondere durch Wechselgeldtransaktionen entstehen.
16. Darf der Kassen-Nachschauer die Vorlage eines Zählprotokolls verlangen?
Nein, ein Zählprotokoll ist grundsätzlich nicht geschuldet.
17. Wie weit zurück darf der Kassen-Nachschauer Daten einsehen?
Das Gesetz sieht hierfür keine Beschränkung vor. Da die Kassen-Nachschau aber keine Außenprüfung ist, werden vom Tag der Kassen-Nachschau an rückwärts maximal drei bis sechs Monate als Nachschauobjekt zuzulassen sein.
18. Darf der Kassen-Nachschauer Fotografien fertigen?
Ja. Das Recht bezieht sich allerdings ausschließlich auf Geräte und Typenschilder, nicht auf Personen. Dies ergibt sich entsprechend aus der Rechtslage bei der Umsatzsteuernachschau.
19. Auf welchem Medium werden Daten zur Verfügung gestellt?
Nach der AO schuldet grundsätzlich der Apotheker auf seine Kosten die Zurverfügungstellung. Es ist aber davon auszugehen, dass Betriebsprüfer USB-Sticks mitbringen, um nicht in die Lage zu kommen, mangels Speichermedium Daten nicht mitnehmen zu können.
20. Was ist eine digitale Schnittstelle im Sinne des § 146a Abs. 1 AO?
Die Definition befindet sich in § 4 der KassensichV vom 26.09.2017: „Die einheitliche digitale Schnittstelle ist eine Datensatzbeschreibung für den standardisierten Datenexport aus dem Speichermedium nach § 3 Absatz 1 und dem elektronischen Aufbewahrungssystem zur Übergabe an den mit der Kassen-Nachschau oder Außenprüfung betrauten Amtsträger der Finanzbehörde. Sie stellt eine einheitliche Strukturierung und Bezeichnung der nach § 146a Absatz 1 der Abgabenordnung aufzuzeichnenden Daten in Datenschema und Datenfelderbeschreibung für die Protokollierung nach § 2 und die Speicherung nach § 3 sicher. Dies gilt unabhängig vom Programm des Herstellers.“
21. Schuldet der Apotheker schon am 01.01.2018 eine digitale Schnittstelle?
Nein, sie ist erst ab dem 01.01.2020 geschuldet. Die digitale Schnittstelle ist Baustein der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung gemäß § 146a Abs. 1 AO. § 146a AO gilt nach § 30 des Artikels 97 des EGAO erst ab dem 01.01.2020.
22. Darf der Kassen-Nachschauer den USB-Stick selbst an den Rechner anschließen und Daten abziehen?
Nein. Die digitale Schnittstelle ist erst ab dem 01.01.2020 geschuldet. Bis dahin hat der Kassen-Nachschauer nur einen Anspruch darauf, dass ihm die von ihm angeforderten Daten und Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.
23. Sind die Daten, die bei der Kassen-Nachschau zu übergeben sind, identisch mit einem GDPdU-Export?
Nein. Es sind nur die für eine Kassen-Nachschau relevanten Daten zu übergeben, also insbesondere die Kasseneinzeldaten, Stornodateien, Dateien über Lieferschein und Faktura, sofern sie erforderlich sind, um Kasseneinzeldaten nachvollziehen zu können. Betriebsstatistiken sind bei der Kassen-Nachschau nicht auszuhändigen.
24. Welche Daten sollte der Apotheker auf einem eigenen USB-Stick vorab bevorraten?
Der Apotheker sollte die aktuelle Verfahrensdokumentation des Herstellers, das Handbuch und seine eigenen Verfahrensdokumentationen, die die Kasse betreffen, insbesondere also seine eigene Kassenanweisung an sein Personal, auf einem USB-Stick zur jederzeitigen Übergabe an einen Kassen-Nachschauer bevorraten.
25. Sperrt die Kassen-Nachschau eine Selbstanzeige?
Ja, aber nur für den Bereich, auf den sich die Kassen-Nachschau bezieht.
Autor:
Dr. Bernhard Bellinger
Rechtsanwalt / Steuerberater
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