Professor Dr. Gerd Glaeske hat die Apothekerschaft aufgefordert, unabhängig und neutral zu beraten. „In dieser Funktion ist und bleibt die Apotheke unverzichtbar“, so der Gesundheitsökonom. Er sprach sich beim Westfälisch-Lippischen Apothekertag (WLAT) in Münster für mehr evidenzbasierte Beratung in der Selbstmedikation aus – etwa anhand einer Positivliste für OTC-Präparate. Er unterstützte damit den entsprechenden Beschluss des Deutschen Apothekertags (DAT) in München.
Glaeske wies darauf hin, dass jährlich mehr als eine halbe Milliarde OTC-Packungen in der Selbstmedikation abgegeben würden. Für diese Präparate dürften die Hersteller werben. Die Apotheker sieht Glaeske als „Gegenöffentlichkeit“ zu diesen Anbietern: „Nicht die Werbung, sondern der kompetente, überzeugende und therapeutisch begründete Rat aus der Offizin ist die Entscheidungsbasis bei der Arzneimittelauswahl“, so seine These.
Für eine gute Beratung sollte die Patientenorientierung im Mittelpunkt stehen. Denn: „Auf der Basis eines nur ökonomischen Interesses kann nicht unabhängig und neutral beraten werden“, findet Glaeske. Stattdessen sollten Apotheker evidenzbasierte Entscheidungen treffen.
Glaeske sprach sich dafür aus, zunächst die 100 meistverkauften OTC-Produkte unter die Lupe zu nehmen. „Es hätte schon einen ungeheuren Einfluss, wenn man eine solche Liste hätte – die Hersteller würden merken, dass sie nicht mehr mit allem durchkommen“, meint er. Und die Apotheker würden durch die Liste mit einer Stimme sprechen. Bestimmte Produkte könnten in den Vordergrund gesetzt und damit deutlich gemacht werden, das andere die Kriterien nicht erfüllten.
Außerdem würde mit einer solche Liste gegenüber der Gesellschaft deutlich gemacht, welche Verantwortung die Apotheker hätten. „Man muss das angehen und aushalten, dass das nicht unumstritten ist“, forderte Glaeske die Apotheker auf. Kritikern sollte aus seiner Sicht im wissenschaftlichen Diskurs begegnet werden. Man müsse auf die Unterschiede zwischen Erfahrungen und Publikationen hinweisen – und auf den möglichen Unnutzen für den Patienten. „Wir müssen den Kampf aufnehmen“, so Glaeske.
Dabei dürfe man aber nicht die Haltung einnehmen: „Gebt uns mehr Geld, dann machen wir das schon“. Erst müsse gezeigt werden, dass es funktioniere. „Es muss einen Teil von Apothekern geben, die es fördern und leben“, so Glaeske. Er rief die Apothekerschaft auf, sofort damit zu beginnen und ihre Kollegen mitzunehmen. „Viele Hersteller würden sich umsehen, wenn sie mit evidenzbasierter Pharmazie vonseiten der Apotheker konfrontiert würden“, ist er überzeugt.
Besonders kritisch sieht Glaeske Kombinationspräparate, als Beispiel nannte er Thomapyrin (Boehringer Ingelheim). Trotzdem wollten die Firmen nicht davon ablassen. „Aber dazu muss man sie zwingen“, findet der Gesundheitsökonom. Kombinationspräparate stünden weit oben in der Hitliste der am häufigsten abgegebenen Arzneimittel. „Da brauchen Sie dann einen breiten Rücken, zumal viele Firmen mit Rabatten locken – da muss man auch widerstehen“, forderte Glaeske die Apotheker auf. Sie dürften sich nicht verführen lassen.
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