Die Evaluation des Armin-Modellprojektes ist abgeschlossen, das gemeinsam von den Kassenärztlichen Vereinigungen und Landesapothekerverbänden in Sachsen und Thüringen sowie der AOK Plus durchgeführt wurde. Demnach konnte das Mortalitätsrisiko der Patient:innen deutlich gesenkt werden, man werde „nun alle Kraft darauf aufwenden, das Ausrollen von Armin bundesweit zu ermöglichen“, so Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening mit Blick auf die pharmazeutischen Dienstleistungen.
Das gemeinsame Modellprojekt startete 2014 und endete nach Verlängerung im Juni 2022. Ziele von Armin war es, durch interprofessionelle Zusammenarbeit die sichere und korrekte Einnahme von Arzneimitteln zu fördern und die Therapietreue von chronisch kranken Patienten zu verbessern. Der Medikationsplan sollte vor allem chronisch kranken Patient:innen mit Polymedikation helfen, außerdem sollten Steigerungen bei den Arzneimittelkosten gedämpft werden, indem Ärzt:innen nach Möglichkeit nur noch Wirkstoffe verordneten.
Die Projektpartner veröffentlichten nun die Ergebnisse der Evaluation, demnach sank das Mortalitätsrisiko der Patient:innen, die am Armin-Medikationsmanagement teilnahmen, im Vergleich zu retrospektiv gematchten Kontrollpatient:innen um 16 Prozent.
Außerdem hätten drei Viertel der Patient:innen die Überprüfung des Medikationsplans durch ihre Hausärzt:innen beziehungsweise Apotheker:innen befürwortet. Das spreche für die klar strukturierte Aufgabenverteilung von Arzt und Apotheker im Projekt; beide Berufsgruppen gaben in den Befragungen an, Aufgaben im Medikationsmanagement sowohl selbst zu übernehmen als auch von der jeweils anderen Berufsgruppe übernehmen zu lassen. Zudem hätten es neun von zehn Ärzt:innen gut gefunden, dass die Apothekerinnen und Apotheker die Gesamtmedikation der Patient:innen erfassten.
Bei Patient:innen mit Polymedikation ist die Adhärenz oft eingeschränkt, so Overwiening zu den Evaluationsergebnissen. Jede:r könne frei entscheiden, ob Arzneimittel eingenommen werden, aber wenn Arzneimittel lediglich zu Hause in den Schränken stünden, dann entstünden zusätzlich Kosten für das Gesundheitssystem. Mit Armin hätten Patient:innen einen besseren Überblick über ihre Arzneimittel erhalten können, das habe viele Vorteile gebracht, so Overwiening weiter.
Die Apothekerschaft habe daher mehrere Forderungen:
Die Beratung zu Polymedikation müsse in die Regelversorgung überführt werden, für die Apothekenseite sei dies durch die pharmazeutische Dienstleistung der Polymedikatiosanalyse bereits geregelt worden, das gehe aber noch nicht weit genug: Auch die Ärzt:innen sollen mit einbezogen werden, um das „Zusammenspiel voranzubringen“.
Dafür soll der jährliche Anspruch auf eine Überprüfung/Kontrolle des Medikationsplans für Patient:innen mit Polymedikation gesetzlich geregelt werden. Wenn diese Kontrolle nicht ausreicht, dann sollten Patient:innen auch einen Anspruch auf eine kontinuierliche Versorgung erhalten. Dabei reiche es nicht, den Medikationsplan auszudrucken und auszuhändigen, stattdessen soll laut dritter Forderung der Plan persönlich und mündlich erklärt und außerdem gemeinsam von Ärzt:innen und Apotheker:innen erstellt, geprüft und gepflegt werden, so die Abda-Präsidentin.
Wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass das Projekt bundesweit eingeführt werde, dazu wollte Overwiening „keinen Prozentsatz raushauen“. Lieber wolle sie andersherum fragen, was dagegen spreche. Die Arzneimittelversorgung werde zunehmend komplizierter, die Menschen kränker, irgendwann werde man darum nicht mehr herumkommen. Man werde nun „alle Kraft darauf aufwenden, das Ausrollen von Armin bundesweit zu ermöglichen“, die Präsentation der Ergebnisse sei der Startpunkt dafür. „Die Politik kann sich vor den Ergebnissen nicht verschließen“, so Overwiening.
Von der gesetzlichen Regelung zum verpflichtenden jährlichen Check-up des Medikationsplans zeigte sich Dr. Annette Rommel, Vorsitzende der KV Thüringen, zwar nicht überzeugt. Sie lobte aber in ihrem Statement die Steigerung der Therapieadhärenz durch Wirkstoffverordnungen. Durch das System der Rabattverträge seien Patient:innen oft verunsichert, die Wirkstoffverordnungen waren Teil des Armin-Projektes und hätten dem entgegenwirken können.
Die Beratung in den Apotheken zusätzlich zur Einweisung durch die Ärzt:innen sei wichtig, denn „gesagt ist nicht gleich verstanden“, so die Allgemeinmedizinerin. Ein weiterer Stolperstein seien die Praxisverwaltungssysteme, die häufig nicht mit Armin konform gewesen sei, „das hemmte uns“, sagte Rommel.
Auf die Nachfrage, wie sich denn die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePa) auf die Zukunft des Armin-Projektes auswirken würde, waren sich alle Ärztevertreterin, Abda-Präsidentin und AOK-Plus-Vertreter Rainer Striebel einig: „Die ePa kann ein Dreh- und Angelpunkt werden für den elektronischen Medikationsplan“, sie sei aber lediglich eine Akte und ersetze dabei nicht die notwendigen Prozesse drumherum.
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