Dürfen ausländische Versandapotheken ihre Kunden nicht nur mit Rabatten, sondern auch mit Gewinnspielen locken? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Frage jetzt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Die EU-Richter sollen klären, ob das Zugabeverbot im Heilmittelwerbegesetz (HWG) mit dem Europarecht vereinbar ist. Im besten Fall können in Luxemburg noch einmal Argumente für die Preisbindung vorgetragen werden. Die wichtigste Fragen zur neuen EuGH-Vorlage.
Ein Gewinnspiel von DocMorris im März 2015 – also noch vor dem EuGH-Urteil zu Rx-Boni. Barrabatte waren seinerzeit auch ausländischen Versandapotheken verboten. Hauptpreis beim Gewinnspiel war ein E-Bike im Wert von 2500 Euro verlost wurden außerdem neun hochwertige Elektrozahnbürsten (Philips-Sonicare-Diamond-Clean-Sets). Voraussetzung für die Teilnahme war das Einsenden eines Rezepts. Die Apothekerkammer Nordrhein hatte darin einen Verstoß gegen das HWG gesehen und die Versandapotheke verklagt.
Laut § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG sind Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) verboten. Ausgenommen sind geringwertige Kleinigkeiten und gekennzeichnete Werbeartikel. Zuwendungen oder Werbegaben dürfen zudem nicht bei preisgebundenen Arzneimitteln gewährt werden. Der EuGH hat im Oktober 2016 allerdings schon entschieden, dass die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) für Versender aus dem europäischen Ausland nicht greift.
Im EU-Recht gibt es dazu keine unmittelbare Entsprechung. Der BGH fragt daher nach der Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG, der sogenannten Arzneimittelrichtlinie. In Art. 87 Abs. 3 ist die Werbung für Arzneimittel geregelt. Arzneimittelwerbung muss demnach „einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt“ und „darf nicht irreführend sein“.
Der BGH will wissen, ob die weiterreichende nationale Vorschrift mit dem EU-Recht vereinbar ist und ob sie für ausländische Versandapotheken gilt.
Dann darf DocMorris auch weiterhin Gewinnspiele bei der Rezepteinlösung anbieten. Seit dem Boni-Urteil des EuGH sind solche Marketingmaßnahmen für die EU-Versender allerdings kaum noch von Bedeutung – unmittelbare Barrabatte sind für die Kunden einfach attraktiver. Zumindest denkbar wäre daher, dass DocMorris seine Revision gegen das Urteil des OLG Frankfurt zurückzieht, um eine neue Debatte über die Preisbindung zu vermeiden. Verboten wäre dann nur das konkrete Gewinnspiel.
Nein. Der BGH hat in seiner Vorlagefrage explizit eine „in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke“ adressiert. Außerdem sind in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG alle Zuwendungen und Werbegaben für Arzneimittel unzulässig, wenn sie gegen die Preisvorschriften verstoßen. Das Preisrecht gilt nicht für DocMorris, aber weiterhin für jede Apotheke mit Sitz in Deutschland. Dass deutsche Apotheken dann erfolgreich wegen Inländerdiskriminierung klagen könnten, ist unwahrscheinlich: Schon bei der Preisbindung hatte der BGH keinen Handlungsbedarf gesehen.
Um den einschlägigen § 11 Abs. 1 Nr. 13 ging es im Verfahren nicht. Gewinnspiele sind demnach nur dann unzulässig, wenn sie einer „unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten“. Das ist allerdings bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln schwer zu belegen, da der Patient sein Rezept ja schon hat und das verordnete Arzneimittel auch benötigt. Dass ein Patient wegen der Teilnahme an einer Auslosung seinem Arzt falsche Angaben macht, um ein Rezept zu erhalten, erschien auch dem BGH nicht naheliegend.
Solche Vorhersagen sind immer schwierig. Aber da die Luxemburger Richter schon die Preisbindung bei EU-Versendern für nicht anwendbar erklärt haben, spricht wenig dafür, dass sie Gewinnspiele strenger bewerten werden.
In verschiedenen Verfahren haben die Karlsruher Richter die Entscheidung des EuGH zu Rx-Boni kritisiert und eine erneute Verhandlung in Luxemburg angeregt. Denn die Argumente des Gesetzgebers für die Preisbindung seien nicht klar vorgetragen worden. Mit dem aktuellen Verfahren könnten der BGH die Chance gesehen haben, zumindest mit einer ähnlich gelagerten Frage wieder zum EuGH zu kommen. Ob die Luxemburger Richter überhaupt mündlich verhandeln und dann eine Diskussion über die hier gar nicht berührten Preisvorschriften einsteigen würden, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
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