EuGH-Urteil

Rx-Boni: Apotheken droht Preisspirale

, Uhr
Berlin -

Das Medienecho auf das EuGH-Urteil zu Rx-Boni war gewaltig – und hat in der Bevölkerung zu einer gewissen Erwartungshaltung geführt. Die Unternehmensberatung Sempora hat mehr als 1000 Verbraucher online befragt und kommt zu dem Ergebnis: Vor-Ort-Apotheken können sich dem Preiskampf nicht entziehen; eine Preisspirale könnte sich in Gang setzen.

Laut Umfrage ist jeder zweite Verbraucher (51 Prozent) bereit, sein Rezept gegen einen Bonus von 2 Euro pro Medikament „immer“ oder „meistens“ bei einer Versandapotheke einzureichen. 30 Prozent waren unentschieden, 20 Prozent halten ihrer Vor-Ort-Apotheke die Treue.

Dabei gibt es erhebliche Unterschiede unter den Altersgruppen: Unter den 18- bis 28-Jährigen schielen 62 Prozent auf den Bonus von DocMorris & Co., bei den älteren Verbrauchern ab 60 Jahren sind es nur 41 Prozent.

Auch die Affinität zum Versandhandel spielt eine Rolle: Von den Verbrauchern, die heute schon mehr als zwölf Bestellungen pro Jahr im Internet aufgeben (11 Prozent aller Befragten), würden 80 Prozent Rezeptboni in Anspruch nehmen. Bei Verbrauchern, die noch nie Medikamente bei einer Versandapotheke bezogen haben (36 Prozent aller Befragten), sind es nur 31 Prozent.

Auch bei den Vor-Ort-Apotheken wird das Thema laut Sempora früher oder später auf die Agenda kommen. Denn fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) würden künftig „ausschließlich“ oder „überwiegend“ zu solchen Apotheken gehen, die einen Rezeptbonus in ähnlicher Höhe wie die Versender anbieten. Dazu kommt: 68 Prozent würden auch ihre OTC-Medikamente in diesen Apotheken einkaufen.

Laut Umfrage ist für 43 Prozent ein Rezeptbonus nicht entscheidend – eine „gute Beratung und Qualität“ vorausgesetzt. Anders ausgedrückt: Bei 57 Prozent steht der finanzielle Anreiz im Vordergrund.

„Eine flächendeckende Einführung von Rezeptboni bei deutschen Apotheken würde zu massiven Veränderungen im Gefüge der deutschen Apothekenlandschaft führen“, laut das Fazit von Thomas Golly, Managing Partner bei Sempora. „Die jetzt durch das EuGH Urteil initiierte ‚kleine Variante‘ der Boni nur von Versendern wie DocMorris und Europa Apotheek stellt einen Paradigmenwechsel dar, denn sie weckt neue Begehrlichkeiten bei Kunden und Patienten.“

„Wenn ein Apotheker mit Rx-Boni anfängt, werden die Konkurrenten in seinem Umfeld darüber nachdenken müssen, wie sie damit umgehen“, ergänzt sein Kompagnon Tobias Brodtkorb. Doch auch auf die Angebote der Versender würde die Gegenreaktion vor Ort erhebliche Folgen haben: „Die Verbraucher gehen lieber in die Apotheke um die Ecke. Wenn es dort vergleichbare Boni gibt, müssen die Versender nachziehen. Am Ende könnte eine Preisspirale in Gang kommen – mit Folgen für das gesamte Preisgefüge im Markt.”

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Rechtswidrige Arzneimittelangebote
Für 55 Euro: Novaminsulfon auf Ebay
Mehr aus Ressort
ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick
ePA: e(inreichen) P(apier) A(potheke)
Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken
OTC-Rezept: Kasse zahlt Botendienst nicht

APOTHEKE ADHOC Debatte