Gastkommentar von Shaghayegh Aghababaei

„Keiner weiß, was Apotheken leisten“

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Berlin -

Das EuGH-Urteil zur Zulässigkeit von Rx-Boni für ausländische Versandapotheken beschäftigt die Apotheker vor Ort wie kein anderes Thema. Apothekerin Shaghayegh Aghababaei von der Bahnhof Apotheke Kirchhain macht ihrem Ärger in einem Gastkommentar für APOTHEKE ADHOC Luft: „Der Bevölkerung ist nicht klar, was wir Apotheker unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen leisten.“ Kaum jemand wisse, welche Leistungen Apotheken quasi „umsonst“ erbringen.      

Mit dem Apothekengeschäft könne man sich „gerade so über Wasser halten“, sagt Aghababaei. Und jetzt setzt der Vorteil für ausländische Versandapotheken den Apothekern zusätzlich zu: „Fehlen uns dadurch drei bis vier Kunden am Tag, können wir zu machen.“ Lesen Sie hier die persönlichen Erfahrungen der Apothekerin:

Ich gebe es ja zu, nach 30 Stunden Dienst in der Apotheke (Nachtdienst inklusive) bespreche ich nicht mit jedem Kunden, der eine Flasche Nasenspray kauft, warum er sie nicht über eine Woche anwenden sollte. Aber darauf hinweisen tue ich bei jedem, auch wenn der Kunde jede Woche eine kauft. Aber ich verkaufe nicht nur Nasenspray und Ibuprofen am Tag.

Es passiert mehrmals am Tag, dass ich stolz auf meinen Beruf bin. Erst kürzlich habe ich eine ältere Dame vor einem langen Krankenhaus-Aufenthalt bewahrt. Wie? Die Dame hat gegen eine allergische Hautreaktion ein Allergiemittel bekommen. Diese Medikamente machen den Patienten müde und schläfrig. Da die Dame unsere Stammkundin ist, weiß ich, dass sie ein verschreibungspflichtiges Schlafmittel einnimmt und es nicht beim Hautarzt angegeben hat. Die Dame ist sowieso schlecht zu Fuß, mit der Kombination von Schlaf- und Allergiemittel wäre die Sturz-Gefahr zu groß. Es drohen Beckenbruch, Operation ...

Kann das auch eine Versandapotheke? Ist diese Leistung nicht mehr als zwei Euro Rabatt wert?

Eine andere Kundin kommt in die Apotheke und behauptet, ihr Blutzucker-Messgerät würde nicht richtig messen. Zeigen Sie mal bitte, wie Sie messen. Während des halbstündigen Beratungsgesprächs haben wir zusammen diverse Messfehler festgestellt, aber nicht vom Gerät, sondern von der Patientin. Das Tragische war daran, dass die Patientin anhand der Messung ihre Insulindosis ausgerechnet hatte. Die Apotheke bekommt für das halbstündige Gespräch ein Dankeschön und ein Lächeln.

Kann das auch die Versandapotheke? Ist es nicht mehr als zwei Euro Rabatt wert?

Eine Kundin kommt mit einem Rezept, auf dem eine Rezeptur verordnet ist: Kapseln für ein Neugeborenes mit Herzfehler. Freitagmittag aus der Klinik entlassen und soll ab Samstag schon die Kapseln bekommen. Was mache ich in der Apotheke? Über eine gebührenpflichtige Eillieferung (75 Euro) lasse ich mir die Bestandteile vom Großhandel am gleichen Nachmittag liefern. Eine Fachkraft stellt die Kapseln im Labor unverzüglich her, damit der Säugling sein Medikament am gleichen Abend bekommen kann.

Was verdient die Apotheke bei einer Rezeptur? Ich darf der Krankenkasse die Bestandteile anteilig berechnen, auch wenn der Rest des Stoffes wahrscheinlich bei mir liegt, bis er verfällt. Ich bekomme für 60 Kapseln 21 Euro für die Herstellung. Für die Eillieferung habe ich 75 Euro gezahlt. Ein Verlustgeschäft. Die Arbeitszeit, die ich für die Identitätsprüfung jeder einzelnen Zutat und das Protokollieren der Prüfung (wozu ich übrigens gesetzlich verpflichtet bin), die Herstellung und Protokollierung der Herstellung (auch gesetzlich vorgeschrieben) verwendet habe, wird nicht bezahlt. Wenn wir sehr schnell und geübt sind, brauchen wir anderthalb bis zwei Stunden für alles.

Kann das auch eine Versandapotheke? Ist es nicht mehr als zwei Euro Rabatt wert?

Das sind nur einige Beispiele aus dem aktuellen Alltag Ihrer Apotheke vor Ort. Ich könnte bestimmt mehrere Seiten schreiben und viele Beispiele nennen. Das und vieles mehr leistet die Apotheke vor Ort. Das ist mehr als jeden Rabatt wert.

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