Mit „Chef“ will Dr. Klaus Joachim Fehske seit drei Jahren nicht mehr angesprochen werden. 2016 übergab er seine Rathaus-Apotheke an seinen Sohn. Oft wechseln Apotheken innerhalb der Familie den Besitzer – die Übergabe kostet mitunter Nerven und Diskussionen zwischen Eltern und Kind. „Es muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, wer der Chef ist“, empfiehlt Fehske. Mehrere Approbierte berichten, wie sie den Inhaberwechsel erlebt haben, und warnen vor Fallstricken.
Die Übernahme der väterlichen Apotheke stand für Dr. Christian Joachim Fehske zwar immer im Raum, Druck sei jedoch nie ausgeübt worden. „Das war für mich sehr wertvoll, ich habe mich nie gezwungen gefühlt“, sagt er. Ursprünglich wollte sein Vater im Alter von 60 Jahren in den Ruhestand gehen. „Er hatte aber Fingerspitzengefühl, damals hätte ich vermutlich eher nein gesagt.“ Letztlich dauerte es noch drei Jahre, bis er die wichtige Entscheidung zur Selbstständigkeit traf.
Wichtig sei, dass der Nachfolger den Zeitpunkt der Übernahme festlege, so der Senior. „Der neue Chef soll es 30 Jahre machen und Freude daran haben, sonst ist es eine Katastrophe.“ An seinem 63. Geburtstag erfuhr er von seinem Sohn, dass er die Familientradition fortführen wollte. „Er stellte gleichzeitig zwei Forderungen: Er wollte noch Betriebswirtschaft studieren und ein Jahr mit mir in der Apotheke arbeiten.“ Dabei wollte er den Jahreszyklus des Betriebs unter Aufsicht kennenlernen. Fehske war erfreut, denn er selbst hatte andere Erfahrungen gemacht: „Mit meinem Vater konnte ich nicht arbeiten, weil er ein Choleriker war.“
Auch der Vater knüpfte die Übernahme an Bedingungen. In seiner Apotheke wurde auch zu Homöopathie beraten. „Mein Sohn vertrat bis dahin die Ansicht, dass Homöopathie Sternenstaub ist und hat zähneknirschend einen Kurs gemacht, der ihn überzeugt hat.“ Die beiden gaben sich insgesamt drei Jahre Zeit. Fehske jr. arbeitete zuvor bei Berlin-Chemie in der Hauptstadt. „Für mich war wichtig zu wissen, dass ich auch einen anderen Weg hätte gehen können.“ Im Anschluss wechselte er als angestellter Apotheker in mehrere Vor-Ort-Apotheken, um vor der anvisierten Selbstständigkeit auch andere Betriebe kennenzulernen.
Selbst angestellt gewesen zu sein und Chefs gehabt zu haben, sei als Inhaber hilfreich. Zudem hospitierte Fehske in der väterlichen Apotheke. „Dann wusste ich, auf was ich mich einlassen werde.“ Im Alter von 38 Jahren übernahm er. Dass viele Mitarbeiter ihn noch von Kindesbeinen her kannten, sei nicht nur ein Vorteil. „Ich bin praktisch in der Apotheke aufgewachsen.“ Deshalb sei mit jedem Mitarbeiter einzeln über das neue Verhältnis gesprochen worden.
Die offene Kommunikation über den Wechsel sei wichtig, betont Fehske. „Man muss die Ängste und Sorgen der Mitarbeiter ernst nehmen.“ Manche hätten Angst vor einer „Streichliste“ gehabt. Beim traditionellen Teamtreffen auf der Weihnachtsfeier erklärte er, an den Grundwerten der Apotheke nichts ändern zu wollen. „Immerhin habe ich die Philosophie mit der Muttermilch aufgesaugt.“ Vater und Mutter waren im Betrieb tätig. Wichtig war im dennoch, einen anderen Blick auf die Dinge mitzubringen. Er führte beispielsweise die Heimversorgung ein. Rückblickend sind Vater und Sohn stolz, die Übergabe ohne Streit und mit Respekt vollzogen zu haben. „Wir haben uns beide bemüht, das gut zu regeln.“ Noch heute arbeitet der Vater sieben Stunden pro Woche im Betrieb mit.
Wichtig ist bei einer Übergabe innerhalb der Familie, die Rollenverteilung abzuklären. Diese Erfahrung hat auch Julia Dickmann gemacht. Sie übernahm die Adler-Apotheke Straelen 2016 von ihrer Mutter. Davor war sie dort als Angestellte tätig. „Viele denken, da fällt einem etwas in den Schoß, in vielen Punkten ist es aber schwieriger, von der Familie zu übernehmen.“ Die Kollegen hätten nicht so recht einordnen können, wie die Chefposition verteilt sei. „Das war ein Problem. Die Verteilung der Kompetenzen muss klar sein, sonst hat man ein Problem.“
Bewiesen hat sich Dickmann bei ihrer ersten Revision. Der Pharmazierat war seit zwei Jahren nicht mehr im Betrieb und die Mitarbeiter waren entsprechend aufgeregt, als er in der Tür stand. Die Mutter war nicht vor Ort. Dickmann regelte alles und es gab keine Kritikpunkte. „Da hat es im Team klick gemacht“, erinnert sie sich.
Auch wenn die Apotheke wegen des guten Verhältnisses zur Mutter bei ihr schon während der Ausbildung immer präsent gewesen sei, habe es auch Minuspunkte gegeben. „Ich habe ja gesehen, was für eine Herausforderung es für sie als alleinerziehende Mutter war.“ Im Praktischen Jahr habe sich dann aber schnell gezeigt, dass Dickmann lieber selbstständig arbeiten wollte. Direkt nach dem Studium zu gründen, kann sie jedoch nicht empfehlen. „Der betriebswirtschaftliche Aspekt fehlt komplett, das sollte dringend geändert werden.“ Es sei blauäugig, ohne Erfahrung direkt in die Selbstständigkeit zu gehen, selbst wenn es innerhalb der Familie sei.
Dickmann rät Übernahmewilligen, sich ein „dickes Fell“ zuzulegen. Manches sei schwieriger in einer Apothekerfamilie, beispielsweise die Themen nicht mit nach Hause zu tragen. „Haarig“ könne es auch werden, wenn ein Umbau der vom Vorgänger lieb gewonnenen Einrichtung anstehe. „Wichtig ist, den Änderungsbedarf zu erklären.“ Wie bei Fehske arbeitet auch die Mutter von Dickmann noch in der Apotheke mit. „Wir ergänzen uns gut, sie macht die Büroarbeit.“
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