Die Pharmazie-Ersties dieses Studienjahres gewöhnen sich langsam ein. Nach zwei Wochen Vorlesungen und Seminaren stellt sich so etwas wie Alltag ein: Erste Verzweiflungsmomente, überraschend unterhaltsame Veranstaltungen und vor allem viel Arbeit gehören dazu. APOTHEKE ADHOC begleitet die nächste Apothekergeneration bei ihren ersten Schritten zwischen Hörsaal, Wohnheim und Labor.
„Der zeigt uns da irgendwelche Videos von startenden Raketen – keine Ahnung, was er uns damit sagen will.“ Dank der Physik-Vorlesung weiß Anne Brechlin schon zwei Wochen nach Studienbeginn sehr gut, wie sich Frustration anfühlt. „Und zwar nicht nur, weil mich Physik nicht interessiert, ich es nicht kann und eigentlich auch gar nicht können will“, so die Studentin der Uni Greifswald. Sondern weil sie die Vorlesung schlicht nicht versteht. „Dadurch, dass ich Physik im Abi abgewählt habe, kapiere ich da einfach kein Wort“, sagt sie und resümiert: „Es macht einfach keinen Unterschied, ob ich da drin sitze oder nicht.“
Gemacht werden muss es trotzdem, doch glücklicherweise nicht mehr unbedingt in diesem Semester. Deshalb hat Anne einen ambitionierten Plan: „Ich habe mir vorgenommen, den gesamten Physikstoff in den Semesterferien im Selbststudium nachzuarbeiten und die Prüfung dann im zweiten Semester zu schreiben.“ Ansonsten, so versichert sie, läuft es rund. Auch wenn es nicht immer Spaß machen muss: So ist die Terminologie ein Grundpfeiler, an dem man schon im ersten Semester bauen muss – also Latein lernen. „Da muss man halt durch, Sprachen haben mich noch nie interessiert. Aber wenn man es dann kann, ist es bestimmt schön“, sagt die 19-Jährige. Damit sind die zwei Tiefpunkte des Semesters aber auch schon durchdekliniert. „Es kristallisiert sich gerade heraus, welche Vorlesungen wichtig sind und auf welche man manchmal verzichten kann“, sagt sie.
Das sieht auch Sebastian Reuter so. „Es ist wirklich viel Input und wenn man nicht am Ball bleibt, kommt man nicht hinterher“, befindet er. Vor allem für gut gemeinte Zusatzangebote bleibt da keine Zeit: „Wir haben zum Beispiel eine Vorlesung zur Geschichte der Pharmazie. Die ist echt interessant, aber man muss da eindeutig Prioritäten setzen.“ Im Gegensatz zu seiner zukünftigen Kollegin Anne gehört bei ihm aber schon in diesem Semester die Physik dazu, „auch wenn ich da manchmal drin sitze und nur Bahnhof verstehe.“
Das liegt am Abitur, ist sich Paul Wohlgemuth sicher. Denn der Jenaer Pharmazistudent glaubt sich durch seine Schulbildung in Sachsen bestens vorbereitet: „Die Vorlesungen in Physik und Mathematik sind für mich recht einfach, beides hatte ich bis zum Abi als Leistungskurs – bisher ist es zu großen Teilen Wiederholung und auch das Neue ist nicht so kompliziert. Vielen Kommilitonen fällt das viel schwerer.“ Insbesondere die Experimentalphysik besucht er sogar sehr gern: „Die hat einen sehr hohen Entertainmentwert“, sagt er. In jeder Sitzung gebe es vier bis sechs Experimente und er zeigt sich beeindruckt, wie gut die organisiert sind. „Außerdem hat es einen hohen Mehrwert, ich kann viele Formeln dadurch viel besser verinnerlichen.“
Bei einem sind sich aber alle drei unabgesprochen einig: „Anorganische Chemie ist echt hart“, wie Paul es ausdrückt. Vor allem Annes Vorstellungsvermögen wird dabei arg strapaziert. „Ich komme nicht so recht mit den Darstellungen klar. Wieso werden denn Elektronen plötzlich als Wellen dargestellt?“, fragt sie und muss selbst darüber lachen. „Deshalb steht wohl in manchen Physikbüchern, dass man nicht versuchen soll, sich das bildlich vorzustellen. Aber in der Schule habe ich es doch so gelernt! Soll ich das jetzt alles über Bord werfen?!“
Dankbarer ist da schon die Biologie. „Die ist vom Verständnis her gar kein Problem, aber man muss man halt viel vor- und nacharbeiten, wenn man will, dass es ordentlich wird.“ Manchmal ist allerdings auch ein bisschen mehr nachzuarbeiten, denn erst kürzlich hatte Anne eine weitere Premiere, die für die meisten Studenten zu einer vollständigen akademischen Karriere gehört: „Letzte Woche bin ich in der Bio-Vorlesung eingeschlafen. Wir hatten am Vorabend unsere Erstitaufe – oder Reagenzglassaufen, wie das hier heißt – da hab ich es nicht geschafft, wach zu bleiben.“
Doch nicht nur Getränke am Abend, auch Nachweisreaktionen am Morgen lassen die Köpfe schwer werden: „Das war für mich bisher wie eine Fremdsprache“, resümiert Sebastian. Für den Kieler Studenten ist Chemie deshalb oft nur die Verwaltung des Unwissens: „Wenn man die Basics kann, kann man auch folgen. Aber ich sitze oft da und notiere mir, was ich alles nachholen muss.“ Trotzdem ist er sicher: „Mit viel Fleiß ist das aber alles machbar. Das ist halt ein Riesenpacken an Informationen, den man da vorgelegt bekommt und den man erstmal verdauen muss.“
Sein Geheimnis: Der Tagesrhythmus. Das Klischee vom Studenten, der bis Mittag schläft, passt definitiv nicht auf ihn. „Um Viertel nach sechs klingelt mein Wecker jeden Tag. Ich bin niemand, der aufstehen kann und dann direkt in die Uni geht“, erklärt der 23-Jährige. „Ich versuche aber, die Zeit morgens sinnvoll zu nutzen, lerne Vokabeln für Terminologie, lese Skripte und bereite mich auf die Veranstaltungen in der Uni vor.“ Nach sechs bis acht Stunden Uni am Tag gönne er sich dann durchaus „ein bis zwei Stunden Pause, um den Kopf freizukriegen“ – doch abends liegen dann nochmal vier Stunden Arbeit vor ihm.
So komme er auf wöchentlich 50 bis 60 Stunden Arbeit, „auch, weil ich oft am Wochenende durchpowere“. Eine wirkliche Pause gönne er sich nur selten. „Natürlich gehe ich auch feiern“, sagt er, „aber dann lerne ich am nächsten Tag eben mit einem dicken Schädel.“
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