Wenn in zwei Wochen die neuen Festbeträge in Kraft treten, drohen den Apotheken bei zahlreichen Schnelldrehern massive Lagerwertverluste. Auch die Spanne sinkt deutlich. Die Patienten wiederum müssen sich auf Zuzahlungen einstellen – und bei einigen Präparaten mit erheblichen Aufzahlungen rechnen. Selbst Generikahersteller sehen sich außerstande, ihren Preis auf das neue Niveau abzusenken.
Für 19 häufig verordnete Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen hatte der GKV-Spitzenverband im Mai neue Festbeträge festgelegt. Insgesamt sind 69 Moleküle betroffen. Je nach Gruppe fällt die Anpassung sehr unterschiedlich aus: Am deutlichsten sind laut Christof Ecker von der Unternehmensberatung Ecker + Ecker die Sartane betroffen, deren Erstattungspreise durchschnittlich um 77 Prozent sinken. Der neue Festbetrag für die Kombination mit Hydrochlorothiazid liegt ebenfalls zwei Drittel unter dem derzeitigen Niveau.
Bei den anderen Gruppen ist die Anpassung zwar geringer: Bei Protonenpumpenhemmern, Statinen, Setronen, Alpha- und Betablockern sowie Fluorchinolonen und Bisphosphonaten werden die Preise zwischen 16 und 31 Prozent gekürzt. Doch Ecker weist darauf hin, dass die Preise in acht der jetzt betroffenen Festbetragsgruppen bereits vor zwei Jahren um durchschnittlich bis zu 50 Prozent gesenkt wurden.
Für den Preis, den die Kassen für ein Arzneimittel zahlen, spielt der Festbetrag nur in den seltensten Fällen eine Rolle. Denn die meisten Wirkstoffe fallen ohnehin unter Rabattverträge. Direkt betroffen sind aber die Apotheken: Sie müssen mit Lagerwertverlusten rechnen, die die Hersteller in solchen Fällen oft nicht ausgleichen. Außerdem verlieren sie Marge bei den betroffenen Produkten, denn ihre Spanne richtet sich nach dem Listenpreis. Die Festbetragssenkung bei Olmesartan führt beispielsweise dazu, dass die 3-prozentige Marge nur noch 60 Cent statt 2,60 Euro bringt – sofern die Hersteller mitziehen.
Allerdings haben Daiichi Sankyo und Berlin Chemie bereits angekündigt, ihre Preise für Olmetec und Votum nicht abzusenken. Das bedeutet, dass die Patienten die Differenz aus eigener Tasche zahlen müssen – bei der Großpackung der 40mg-Variante summieren sich Zu- und Aufzahlung auf 86,17 Euro.
Der Blutdrucksenker ist nicht der einzige Wirkstoff aus seiner Gruppe, der zu Diskussionen am HV-Tisch führen könnte. Spannend wird, wie sich die Anbieter von Eprosartan verhalten. Das Original, Teveten von Abbott, kostet 96,76 Euro. Neben den entsprechenden Reimporten gibt es Generika nur von CT (71,13 Euro) sowie Ratiopharm und Aristo (je 68,84 Euro). Sollten die Firmen ihre Preise nicht auf 30,33 Euro senken, drohen den Patienten auch hier Mehrkosten von 71,43 Euro, 45,80 Euro beziehungsweise 43,51 Euro. Laut Arzneiverordnungsreport wurde der Wirkstoff zuletzt 157.000 Mal auf Kassenrezept verordnet.
Aufzahlungen gab es in der Vergangenheit nicht nur bei Originalpräparaten wie Sortis (Atorvastatin, Pfizer) und Nebilet (Nebivolol, Berlin Chemie), sondern auch schon bei einzelnen Generika. Doch Kritiker warnen davor, dass einzelne Wirkstoffe wie Eprosartan ganz vom Markt verschwinden könnten. Laut Sozialgesetzbuch müssen die Kassen zwar garantieren, dass nach einer Absenkung mindestens 20 Prozent aller Verordnungen und Packungen zum Festbetrag verfügbar sind. Dies bezieht sich allerdings nicht auf einzelne Substanzen, sondern nur auf die jeweilige Gruppe. Erste Hersteller fürchten eine „künstliche Marktbereinigung“ auf Wirkstoffebene.
Deutlich häufiger könnte der Fall auftreten, dass Patienten wegen der Anpassung Zuzahlungen leisten müssen. Denn nur wenn der Preis 30 Prozent unter Festbetrag liegt, ist das jeweilige Produkt von der Selbstbeteiligung befreit. Laut Branchenverband Pro Generika liegen bei den Protonenpumpenhemmern derzeit 155 der insgesamt 1111 PZN unter der Zuzahlungsbefreiungsgrenze. Ab Juli sind es demnach nur noch 48 – das entspricht einem Marktanteil von 3,9 Prozent nach Verordnungen.
Zwar gibt es in vielen Rabattverträgen Klauseln, die eine Befreiung von der Zuzahlung vorsehen. Doch immer wieder gibt es Fälle, in denen Patienten zur Kasse gebeten werden, obwohl zuzahlungsbefreite Alternativen ohne Rabattvertrag existieren und die Kassen ohnehin viel mehr Geld mit ihrem Vertrag sparen. Cefuroxim ist so ein Beispiel: Für das Rabattarzneimittel der AOK Sachsen-Anhalt, Elobact von GlaxoSmithKline, fällt eine Zuzahlung an, für die Produkte von Mylan dura, Aristo und Basics nicht.
Der GKV-Spitzenverband wehrt sich gegen den Vorwurf, den Kassen auf Kosten der Versicherten bei Cent-Artikeln zu Euro-Einnahmen zu verhelfen. Man habe die gesetzliche Verpflichtung, unabhängig von den Verhandlungsergebnissen einzelner Kassen für ein angemessenes Preisgefüge zu sorgen, sagt eine Sprecherin. Außerdem seien die Festbeträge das ältere Sparinstrument und bei verschiedenen regulatorischen Prozessen nach wie vor von Belang.
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