Erstattung weniger als EK: „Ich subventioniere die Kassen“ Sandra Piontek, 13.05.2024 10:24 Uhr
In die Ahorn-Apotheke in Großenstein kommen vermehrt Patienten, die dringend mit sogenannten Diätetika versorgt werden müssen: „Durch Mund-zu-Mund-Propaganda strömen immer mehr Menschen zu uns, die an sehr seltenen Stoffwechselerkrankungen leiden“, so Inhaber Sebastian Ettel. Das Problem: „Viele der Patienten wurden bereits von etlichen Apotheken weggeschickt.“ Denn die Krankenkassen erstatten mitunter nicht mal den Einkaufspreis. „Ich mache ein Verlustgeschäft und subventioniere damit die Versichertengemeinschaft“, ärgert er sich.
Ettel ist die Versorgung seiner Patient:innen wichtig und in einigen Fällen sogar ein besonderes persönliches Anliegen. „Ich leide selbst seit meiner Geburt an einer Stoffwechselerkrankung“, so der Inhaber. Weil er weiß, wie wichtig eine entsprechende Therapie ist, versorgt er in seiner Apotheke in Thüringen daher immer mehr Betroffene: „Es werden stetig mehr Menschen, die zu uns kommen, da sie in anderen Apotheken abgewiesen werden. Ich habe Patienten, die bereits in bis zu 20 Apotheken um Versorgung mit den lebensnotwendigen Mitteln gebeten haben“, so Ettel.
Der Inhaber muss demnach Produkte wie Energea P Pulver für Erwachsene oder Kinder häufiger bestellen. „Eine Packung des Trinknahrungsmittels mit sechs Dosen kostet im EK beispielsweise 102,80 Euro. Die Kasse zahlt mir aber nur den EK abzüglich 15 Prozent, wenn der Patient bereits zwölf Jahre alt ist“, berichtet Ettel. Bei Jüngeren sehe die Erstattung auch nicht viel besser aus: „Hier zahlen große Kassen wie beispielsweise die DAK oder KKH den Einkaufspreis minus 5 Prozent.“ Es gebe auch einige bestimmte AOKen, die immerhin noch den EK minus 0 Prozent erstatten würden. „Ich habe mittlerweile zwei Dutzend Patienten, die regelmäßig von mir versorgt werden, das summiert sich.“
Noch absurder wird es, wenn er die verschiedenen Darreichungsformen vergleiche: „Wenn die Trinknahrung in Pulverform abgegeben wurde, so muss ich 7 Prozent Mehrwertsteuer (MwSt) zahlen“, so Ettel. „Gebe ich das Produkt als fertige Flüssignahrung ab, so schlägt die MwSt sogar mit 19 Prozent zu Buche. Es ist ein und dasselbe Produkt, nur einmal als Pulver und einmal als Lösung, das ist doch paradox.“
Doch damit nicht genug: „Ich gehe mit der Versorgung schon ein Verlustgeschäft ein, aber es kommt ein weiteres Problem hinzu“, ärgert sich der Apotheker. „Patienten benötigen von diesen Mitteln nicht nur eine Packung, sondern erhalten ärztliche Verordnungen über einen Bedarf von bis zu einem Viertel- oder gar halben Jahr.“ Will heißen: „Ich habe dann eine Bestellung über mehrere große Kartons vorliegen, die ich per Boten ausliefere. Die Fahrten kann ich aber nicht abrechnen, weil diese Diätmittel nicht verschreibungspflichtig sind“, so der Inhaber.
Denn konkret heißt es: § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V): „Apotheken können bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Wege des Botendienstes je Lieferort und Tag einen zusätzlichen Zuschlag in Höhe von 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erheben.“
Besonders ärgert Ettel, dass jede Kasse eine eigene Regelung hat: „Ich muss zur Versorgung dem Liefervertrag der jeweiligen Kasse beitreten, manche haben aber gar keinen speziellen Vertrag“, so der Apotheker. Infolgedessen muss er häufig alles immer wieder von vorn erklären: „Bei Neuverordnungen lasse ich mich meist zur Fachabteilung der jeweiligen Kasse durchstellen.“
Was dann folge, sei oft ähnlich: „Ich schildere, dass der Patient aufgrund einer seltenen Stoffwechselerkrankung ein bestimmtes Mittel braucht. Erwähne ich dann beispielsweise Phenylketonurie, wissen die Mitarbeiter gar nicht, wovon ich spreche“, so Ettel. „Ich kaue also ständig immer wieder alles vor.“ Sein Fazit: „Die Kassenangestellten haben keine Ahnung, und im Endeffekt subventioniere ich noch die Kassen mit meiner Patientenversorgung.“