Drohbrief und Falschaussage

Erpressung: Der Zöllner und die Apothekerin

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Berlin -

Eine Apothekerin aus Brandenburg bekommt einen anonymen Brief: 300.000 Euro verlangt der Verfasser unter Gewaltandrohung. Bei dem Erpresser handelt es sich ausgerechnet um einen Zollbeamten. Und der wehrt sich auch noch jahrelang gegen seine Entlassung aus dem Dienst – letztlich ohne Erfolg.

Der anonyme Briefeschreiber war erst als Lagerist und Vulkaniseur tätig, bevor er bei der Bundesfinanzverwaltung Karriere machte – vom Zollsekretär bis zum Zollbetriebsinspektor (Besoldungsgruppe A 9). Zuletzt war er im Geschäftsbereich des Hauptzollamtes als Leiter der Funksprechzentrale tätig und verbeamtet auf Lebenszeit. Zu der Apothekerin gab es eine persönliche Verbindung, wie sich später herausstellte: Seine Exfrau arbeitete in einer ihrer beiden Apotheken, die Inhaberin hatte dem Ehepaar sogar zwei Mitarbeiterdarlehen gewährt. Das zweite in Höhe von 55.000 Euro stotterte der Zollinspektor in monatlichen Raten von knapp 400 Euro ab.

Aufgrund dieser Umstände ging er wohl davon aus, dass die Pharmazeutin vermögend sein müsse. Und so verfasste er am 3. Juli 2011 während seines Dienstes und mit Mitteln der Dienststelle – darum sollte es später im Verfahren noch gehen – den Erpresserbrief: 300.000 Euro forderte er, wenn die Apothekerin vermeiden wolle, dass ihr, ihrer Familie sowie ihren Angestellten und deren Angehörigen etwas angetan werde. „Sie haben die Möglichkeit unsere Forderung zu erfüllen und damit Schaden von sich und ihren Angestellten abzuwenden, oder zur Polizei zu gehen und damit das Risiko einzugehen, dass wir uns dann mit Nachdruck Gehör verschaffen. […] Die Polizei kann Sie und alle Ihre Angestellten nicht dauerhaft schützen und uns habhaft werden schon gar nicht. […] Sollten Sie unsere Forderung erfüllen, werden Sie nie wieder etwas von uns hören, im anderen Fall werden Sie nicht mehr ruhig schlafen können.“

Die Briefmarke hatte der Zollbeamte mit Mineralwasser befeuchtet, den Brief nur mit Latexhandschuhen angefasst. Doch schon am Abend des 6. Juli schrieb er von seinem privaten Laptop aus in das Kontaktformular auf der Homepage der Apotheke: „Vergessen Sie den dummen Brief!“ Den dummen Brief las die Apothekerin aber erst am 7. Juli, ihr Ehemann fand die Nachricht auf der Homepage erst am Tag darauf.

Selbstverständlich ging die Apothekerin zur Polizei und löste damit umfangreiche Ermittlungen aus: Eine linguistische und eine kriminaltechnische Untersuchung des Briefes wurden durchgeführt, eine Telefonüberwachung in die Wege geleitet. Als Zeugen wurden der Ehemann der Apothekerin sowie zehn Angestellte der beiden Apotheken vernommen, außerdem eine ehemalige Mitarbeiterin, der wegen einer Unregelmäßigkeit bei der Abrechnung gekündigt worden war. Die stellte den Ermittlern sogar freiwillig ihren Laptop für eine Durchsuchung zur Verfügung.

Der Zollbeamte hatte sich aber am 8. Juli schon selbst bei der Polizei gemeldet – und in seiner Geschichte war er das Opfer einer Erpressung: Vor einer Woche sei er an einer Tankstelle im polnischen Slubice von zwei Polen angesprochen worden. Die hätten ihm 1000 Euro für jeden Lkw geboten, den er unkontrolliert passieren lasse – und ihn für den Fall der Ablehnung bedroht. Er lieferte dezidierte Beschreibungen der Männer und ihres Wagens inklusive Kennzeichen. Siebeneinhalb Stunden dauerte die Vernehmung.

Doch nachdem auch seine Lebensgefährtin von der Polizei vernommen worden war, wurde der Zollbeamte am nächsten Tag erneut einbestellt, diesmal als Beschuldigter wegen der versuchten Erpressung der Apothekerin. Jetzt sagte er aus, die Polen hätten 300.000 Euro für einen „Freikauf“ verlangt, daher der Brief an die Apothekerin. Nach dieser Vernehmung schrieb er der Apothekerin einen weiteren Brief, um sich zu entschuldigen. Das Ermittlungsverfahren wegen versuchter räuberischer Erpressung wurde eingestellt, weil der Zollbeamte strafbefreiend von dem Erpressungsversuch zurückgetreten war, wie es heißt.

Aber dann war ja noch die Sache mit den Polen. Der Zollbeamte wurde wegen des Vortäuschens einer Straftat beschuldigt. Weil das von ihm angegebene Fahrzeug zur behaupteten Tatzeit nicht am Tatort gewesen war, gab er plötzlich an, dass ihm die Täter nicht an der Tankstelle in Slubice, sondern zu Hause aufgelauert hätten. Um seine Frau nicht noch mehr in Angst zu versetzen, habe er das zunächst verschwiegen. Die Richter am Amtsgericht glaubten ihm nicht und verurteilten ihn zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 100 Euro, die er letztlich durch gemeinnützige Arbeit ableistete. Das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wurde eingestellt.

Ausgestanden war die Sache für den verhinderten Erpresser damit aber nicht, denn er verlor seinen Job. In erster Instanz zeigte sich das Verwaltungsgericht Potsdam noch nachsichtig. Vielleicht sei die Geschichte mit den Polen ja nicht völlig frei erfunden, urteilten die Richter und stuften ihn nur auf den Posten eines Zollhauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 8) zurück. Doch sein Dienstherr, die Bundeszolldirektion, ging in Berufung und bekam im Mai vergangenen Jahres vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) recht: Er wurde aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Revision wurde nicht zugelassen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde jetzt, achteinhalb Jahre nach dem Verfassen des ominösen Briefs, vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in letzter Instanz abgewiesen. „Die Gesamtwürdigung der dargestellten Umstände lässt nach alledem nur den Schluss zu, dass der von dem Beklagten zu seinem Nachteil behauptete Erpressungsversuch insgesamt erfunden war, um dadurch den von ihm begangenen Erpressungsversuch zum Nachteil der Apothekerin in ein günstigeres Licht zu rücken“, heißt es zur Begründung.

Viel wurde vor Gericht auch darüber gestritten, ob er dienstlich gehandelt hatte oder nicht – die oben erwähnte Tatsache, dass er das Erpresserschreiben während der Dienstzeit im Büro erstellt hatte. Ein direkter Amtsmissbrauch liegt zwar aus Sicht der Gerichte nicht vor, jedoch haben Beamte – wie Apotheker – einen Ruf zu verlieren. Gegen die „allgemeine Wohlverhaltenspflicht“ zu verstoßen, ist an sich disziplinarwürdig, auch ohne Strafurteil. Und für räuberische Erpressung sieht das StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vor. Dass der Beamte die Erpressung selbst zurückgenommen hat, hilft im Disziplinarrecht nicht. Hier ist schon der Versuch einer Straftat ein „vollendetes Dienstvergehen“. Das muss laut Gericht gerade für einen Zollbeamten mit Uniform und Dienstwaffe gelten, der im Grenzgebiet unter anderem Vermögensdelikte verhindern soll.

 

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