NDR: Apotheker zocken ab APOTHEKE ADHOC, 18.10.2016 11:36 Uhr
Das NDR-Verbrauchermagazin Markt hat wieder Apotheken getestet. Mit versteckter Kamera besuchte eine Testkundin zehn Apotheken und ließ sich zu Erkältungsmitteln beraten. Fazit des Beitrags: Apotheker sind Abzocker, die ihren Patienten unnötige Medikamente aufschwatzen. Der Pharmakologe Professor Dr. Gerd Glaeske gibt seine Empfehlung zu Medikamenten gegen Erkältungssymptome.
In fünf der getesteten Apotheken wurden der Kundin Medikamente für mehr als 20 Euro angeboten. In einer Apotheke lag der Gesamtpreis bei 32,25 Euro; dafür gab es ein Halsspray, Schmerzmittel, Bronchicum akut und Sinupret. Das sei zu viel, sagt Glaeske: „Diese Vielfalt von Arzneimitteln brauchen Sie nicht.“ Die Menge deute darauf hin, dass der Apotheker den Umsatz im Blick habe – und nicht, welche Mittel wirklich nötig seien. Denn laut Glaeske genügen Schmerzmittel und ein Nasenspray bei Erkältungen. Die ABDA sagte dazu, dass Apotheker einen einzelfallbezogenen Entscheidungsspielraum hätten, was die Medikamentenempfehlungen betreffe.
Mehrfach wurde Meditonsin empfohlen, ein homöopathisches Präparat. Zur Wirksamkeit des Mittels gegen Erkältungen gebe es kaum Studien, kritisiert Glaeske. Zudem enthalte das Medikament geringe Mengen Quecksilber. „Ich finde, dass Quecksilber nicht mehr in Arzneimittel gehört.“
In mehreren Apotheken wurden Mittel zur Immunstärkung angeboten; Orthomol immun und Imupret. Doch das Immunsystem könne mit der Ernährung und dem Lebensstil unterstützt werden, nicht aber mit Arzneimitteln gestärkt werden, so Glaeske. Zu Imupret sagte eine Apothekerin im Test, dass die Kundin die Packungsbeilage ignorieren solle. Statt einiger Tropfen empfehle sie, einen Löffel des Mittels einzunehmen. Bei der ABDA konnte man sich diese abweichenden Dosierungsangaben nicht erklären.
In einer Apotheke wurde der Kundin ausschließlich das homöopathische Mittel Gripp-Heel empfohlen. Das helfe gegen alles, auch die Ursachen, so die Apothekerin. Der Preis für das Präparat war mit 9,97 Euro moderat. Glaeske bemängelte die Homöopathie im Bereich Erkältungen: „Sie wirkt nicht besser als Placebo.“
Im Februar 2013 hatte der NDR ebenfalls die Beratung zu Erkältungsmitteln in Apotheken getestet. Damals lautete das Urteil ebenfalls: Abzocke. Im Durchschnitt lagen die Preise der Empfehlungen bei insgesamt 30 Euro. In einer Apotheke wurden Medikamente im Wert von insgesamt fast 50 Euro gekauft. Die Testkäuferin erhielt ACC akut, Bronchoforton Salbe, Nasic Nasenspray, Silomat, Paracetamol, Gelomyrtol forte und Orthomol Immun.
Pharmakologie-Professor Dr. Roland Seifert von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) war in der damaligen Sendung der berufene Arzneimittelexperte. 30 Euro für Erkältungsmittel sei zu viel, erklärte auch er. Wie Glaeske empfahl er ACC, Paracetamol sowie ein Nasenspray. Alles zusammen koste den Kunden etwa zehn bis zwölf Euro.