Erbschaftsteuer

Apotheke vererben – die neuen Regeln Alexander Müller / dpa, 21.06.2016 11:30 Uhr

Berlin - 

Die Koalition hat sich nach langem Streit auf eine Erbschaftsteuerreform geeinigt. Jetzt muss alles ganz schnell gehen: Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz verabschiedet werden – rückwirkend zum 1. Juli. Für Apothekenerben ändert sich die Situation nicht gravierend. Wenn Apothekerfamilien den Betrieb trotzdem noch nach den alten Regeln übertragen wollen, müssen sie sich sputen.

Nach der Verschonungsregel werden Unternehmensnachfolger bislang zu 85 oder 100 Prozent von der Erbschaftsteuer befreit, wenn sie das Unternehmen fünf beziehungsweise sieben Jahre fortführen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte Ende 2014 moniert, dass Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern nicht belegen mussten, dass innerhalb dieser Fristen das Personal gehalten wurde. Diese Regelung will die Regierung jetzt verschärfen.

Künftig werden nur noch kleine Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern von dem Nachweis befreit. Neu eingeführt wird eine Gruppe von Betrieben mit sechs bis zehn Mitarbeitern. Um von der Steuer befreit zu werden, muss der Erbe innerhalb von fünf Jahren 250 Prozent der Lohnsumme erhalten – also etwa die Hälfte der Mitarbeiter. Für Apotheken zwischen 11 und 15 Mitarbeitern liegt der neue Wert bei 300 Prozent der Lohnsumme.

Das heißt übersetzt: Wird die Apotheke unter normalen Umständen weitergeführt, fällt auch künftig keine Erbschaftsteuer an. Nur wenn die Apotheke auf Sparflamme weitergefahren, verkauft oder geschlossen wird, drohen Steuernachforderungen. „Es wird sicher noch Detailregelungen geben, aber unter dem Strich verschlimmert sich die Lage für Apotheken damit nicht“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Markus Rohner, Partner der Steuerberatungsgesellschaft RST.

Nach fünf Jahren sind 85 Prozent des Unternehmenswerts steuerfrei. Für den Rest gibt es aber einen Freibetrag in Höhe von 150.000 Euro. Alternativ sind nach sieben Jahren Weiterführung des Betriebs 100 Prozent steuerfrei. Wegen des Freibetrags sei für Apotheken aber die Variante mit fünf Jahren attraktiver, so Rohner. Wird die Apotheke doch noch innerhalb der Frist verkauft, fällt die Erbschaftsteuer nur anteilig an: Jedes Jahr entfällt ein Fünftel der Steuer, gerechnet wird taggenau.

Wer die Nachweispflicht für die Erben vermeiden will, muss seine Apotheke noch schnell im Juni an die nächste Generation übertragen. Rohner zufolge ist das prinzipiell auch in den wenigen verbliebenen Tage zu bewerkstelligen. „Eine Übergabe innerhalb der Familie ist normalerweise problemlos möglich“, so Rohner, der auch Fachanwalt für Steuerrecht ist.

Eine für die Erben positive Veränderung gibt es bei der Verkehrswertbestimmung. Im bisherigen Ertragswertverfahren gibt es verschiedene Faktoren, die zu einem höheren Wert der Apotheke führen, als betriebswirtschaftlich begründbar. Bislang musste der Inhaber den Fiskus mit eigenen Gutachten vom Gegenteil überzeugen, um den Wert zu drücken. Mit der Reform soll der sogenannte Kapitalisierungsfaktor von 17,86 auf 10 bis 12,5 abgesenkt werden. Für eine Anpassung hatte sich der Verband der Familienunternehmer stark gemacht.

Der Einigung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen. Angestrebt wird ein Beschluss bis zur parlamentarischen Sommerpause am 8. Juli. Offen ist, ob die Grünen im Bundesrat die Pläne mittragen. Sie könnten sie verzögern. Die obersten Richter am BVerfG hatten bis Ende Juni ein Neuregelung gefordert. Die Verhandlungen hatten sich eineinhalb Jahre lang hingezogen.

Von weiteren geplanten Neuregelungen sind Apotheken nicht betroffen: So soll es ab einem Betriebsvermögen von 26 Millionen Euro je Erbfall eine „Bedürfnisprüfung“ geben. Der Erbe muss nachweisen, dass ihn die Zahlung der Erbschaftsteuer finanziell überfordern würde. Unterhalb der Grenzen werden weiter Steuervorteile gewährt. Lässt sich der Erbe auf die Bedürfnisprüfung ein, muss er sein Privatvermögen offenlegen. Das kann zur Hälfte zur Besteuerung herangezogen werden. Wird die Steuer aus dem Privatvermögen gezahlt, kann sie zehn Jahre lang zinslos gestundet werden – allerdings nur im Erbfall und nicht bei einer Schenkung.

Soll das Privatvermögen privat bleiben, greift ein Abschlagsmodell: Mit wachsendem Unternehmensvermögen muss ein größerer Teil des Betriebsvermögens versteuert werden. Die Verschonung sinkt schneller mit der Größe des Unternehmensvermögens – bis auf null. Es würde im Extremfall also keine Verschonung geben. Keine Verschonung wird gewährt ab einem Erwerb von 90 Millionen Euro.

Für Familienunternehmen mit Kapitalbindung beziehungsweise Verfügungsbeschränkung – der Erbe kann nicht frei über Gewinne oder Verkäufe entscheiden – ist ein Steuerabschlag auf den Firmenwert geplant. Der darf maximal 30 Prozent betragen.

Es soll bei der Abgrenzung zwischen „verschonungswürdigem“ und „nichtverschonungswürdigem“ Vermögen bleiben. Anders als Betriebsgrundstücke und Maschinen wird Verwaltungsvermögen besteuert und nicht „verschont“. 10 Prozent des Verwaltungsvermögens bleiben pauschal steuerfrei, auch Tatbestände wie die betriebliche Altersvorsorge oder verpachtete Grundstücke.

Mittel aus einem Erbe, die gemäß dem vorgefassten Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach seinem Tod für Investitionen in das Unternehmen getätigt werden, sollen steuerrechtlich begünstigt werden.