Entlassrezepte: „Bei jedem 3. gibt's Probleme“ Sandra Piontek, 18.10.2024 07:55 Uhr
Entlassrezepte sorgen in fast jeder Apotheke für erhöhte Aufmerksamkeit. Viele Stolperfallen müssen bei der Belieferung beachtet werden. Dass es öfter hakt, belegen nun auch die Ergebnisse einer Auswertung des Landeszentrums Nordrhein-Westfalen. Das Fazit: Jede dritte Entlassverordnung bereitet den Apotheken Schwierigkeiten.
Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG) hat eine sozialpharmazeutische Analyse von Entlassrezepten durchgeführt. Insgesamt wurden 14.228 Entlassverordnungen aus 345 nordrhein-westfälischen Apotheken ausgewertet. Die Entlassrezepte wurden hierfür über sechs Monate lang inklusive möglicher Probleme dokumentiert. Dabei wurde festgestellt: Bei der Einlösung von solchen Verordnungen in Apotheken treten vor allem zwei Probleme auf. Diese betreffen Formfehler und die Verordnungsmenge.
„Unsere Untersuchung zeigte, dass zwei von drei Patienten ohne jede Verzögerung versorgt werden", so Dr. Simone Dirkmann, Mitarbeiterin der Fachgruppe Sozialpharmazie des LZG. Aber: „Bei dem übrigen Drittel kam es zu Problemen“, erklärt sie. Formfehler auf Entlassrezepten müssen durch die Apotheken stets abgeklärt werden durch Rücksprache mit den Verordnern. Dies verzögert jedoch auch die Versorgung der Patient:innen, die gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen wurden. „Die Hauptprobleme waren Vorgaben zu reinen Formalitäten sowie zu den maximal zulässigen Verordnungsmengen", so Dirkmann.
Patienten können nicht versorgt werden
„Dicht gefolgt von Formfehlern sind nach Apothekenangaben Verordnungen nicht existenter oder nicht verfügbarer Packungsgrößen", erklärt die Wissenschaftlerin. Denn laut der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses gilt: „Es dürfen nur Packungen mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen verordnet werden. Nicht immer ist die Abgabe größerer Packungen möglich. Wird ein Arzneimittel gar nicht in der N1-Größe vertrieben oder kennt der Verordner die Marktlage und die Packungsgrößeneinteilung nicht, können die Patienten nicht direkt versorgt werden“, so Dirkmann.
Hinzu kämen dann noch Lieferengpässe: „Gibt es nur die Option, eine größere Packung zu beliefern, bedarf dies wiederum einer ärztlichen Rezeptänderung, falls die zuständige Krankenkasse die Mehrabgabe überhaupt duldet." Aber: „Nicht bei allen Kassen ist es möglich, auf größere Packungen auszuweichen“, so die Expertin.
Nur zwei Lösungsmöglichkeiten
Was bleibt seien schlussendlich nur zwei Optionen. „Das Arzneimittel selbst bezahlen oder den Hausarzt um ein neues Rezept bitten. Beides birgt das Risiko, dass Patienten gänzlich auf ihre Arzneimittel verzichten, so dass Verzögerungen oder sogar Lücken in der Arzneimittelversorgung entstehen“, warnt Dirkmann. Sie fordert: „Die Regeln müssen praxistauglicher werden.“
Für Dirkmann wird aus der Analyse deutlich, dass die gesetzlich und vertraglich vereinbarten Eckpunkte zum Entlassmanagement in der apothekerlichen Praxis nur schwer oder auch gar nicht umsetzbar seien. „Das kann durch fehlendes Wissen der verschreibenden Ärzte bei der Rezeptausstellung, aber auch schlicht durch das Marktangebot bedingt sein." Sie schlägt vor, die kritischen Punkte nochmals zu prüfen und anzupassen, um „die Regelungen praxistauglich zu machen“.
Hierbei könnte der öffentliche Gesundheitsdienst eine zentrale Rolle spielen, so Dirkmann. „Er könnte in den ambulanten und stationären Versorgungsbereichen Theorie und Praxis abgleichen und bei Bedarf die beteiligten Akteure und die Politik beraten.“