Fehlt es den Kliniken an Willen oder mangelt es an Fähigkeiten? Eine Frage, die sich Apotheker Eric Schmitz zum Entlassrezept stellt. Gestern hatte er die erste Verordnung aus dem Krankenhaus erhalten – ein für ihn „komplett wertloses Papier“.
Seit Sonntag dürfen Kliniken rosa Rezepte ausstellen. Im Rahmen des Entlassmanagements dürfen der Bedarf für sieben Tage beziehungsweise die nach Packungsgrößenverordnung kleinste im Handel befindliche Packung verordnet werden. Für das Ausstellen der Muster-16-Rezepte gelten strenge Vorschriften, sonst droht Regress. Alle Formalitäten sind vorgegeben und auch für den Rezeptdruck gilt eine technische Anlage. Die Zulassung der Software, die für den Druck notwendig ist, regelt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Viel Bürokratie, die Kliniken nicht leisten können oder wollen?
Am Donnerstag erhielt Schmitz sein „allererstes Entlassrezept“. Schnell war dem Apotheker klar: „Die Schön-Klinik hat alle Formalien außer Acht gelassen“. Nicht das erste Mal, dass der Inhaber der St. Florian-Apotheke in Düsseldorf Probleme mit Rezepten aus privaten Krankenhäusern hat. „Ein Problem sind immer wieder die Aufkleber auf den Verordnungen, einige Kassen erkennen diese nicht an und retaxieren.“ Mehrfach habe Schmitz die Klinik auf das Problem hingewiesen, aber ohne Erfolg. Bei großen Häusern gebe es weniger Probleme.
Schmitz sollte jedoch dieses Mal eine ganz neue Erfahrung machen. Zum Rezept: Die Klinik benutze zwar den vorgeschriebenen Vordruck mit dem Wasserzeichen „Entlassmanagement“, überklebte diesen jedoch mit einem Patientenaufkleber. Der Wirkstoffverordnung über die jeweiligen N1-Packungen fehlte so einiges: Pseudoarztnummer, versorgungsspezifische Betriebsstättennummer (BSNR) des Krankenhauses, Status, Kostenträger und auch die Versichertennummer. Anstelle des Entlassdatums war das Aufnahmedatum Mitte September aufgebracht. Somit lag die Verordnung ohnehin außerhalb des Gültigkeitsdatums, denn Rezepte über Arzneimittel müssen binnen drei Tagen eingelöst werden.
Der Apotheker stand vor einer großen Herausforderung. Beinahe jeder Kollege kennt das Problem, ein Rezept aus dem Krankenhaus ändern zu lassen. Er versuchte den Arzt in der Schön-Klinik zu erreichen – dreimal wurde er durchgestellt, am Ende war nicht einmal klar, wer die Verordnung unterschrieben hatte. Sicher war nur, der Mediziner, dessen Stempel aufgebracht wurde, hatte nichts mit der Verordnung zu tun. Doch die Klinik konnte das Rezept nicht anders ausstellen. Schmitz gab auf. „Das führte zu nichts.“ Eine Stunde hatte er bereits verloren. Es musste eine Lösung her, die Patientin, die in die Kurzzeitpflege entlassen worden war, musste versorgt werden.
Schmitz wandte sich an die etwa 25 Kilometer entfernte Hausärztin. Dass diese sich als unkooperativ erweisen würde, wusste der Apotheker um 16 Uhr noch nicht. Ans Telefon ging zuerst niemand, auf das gesendete Fax kam keine Reaktion. So entschloss er sich, ab 16.30 Uhr im Fünfminutentakt anzurufen. Als er um 17.15 Uhr endlich jemanden am anderen Ende der Leitung hatte, wurde er auf einen Rückruf vertröstet, der dann um 18 Uhr folgte. „Die Ärztin konnte mir zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, ob sie überhaupt alle Medikamente verschreiben würde. Sie war anfangs nicht willig, überhaupt ein Rezept auszustellen. Die Verordnung dann per Post zu schicken, kam auch nicht in Frage, schließlich kostet das 70 Cent.“ Der Apotheker war fassungslos.
Schlussendlich gab die Ärztin die Verordnung mündlich durch, denn das Fax sei defekt. Schmitz musste die Medikamente bestellen und kann heute liefern. „Familienangehörige werden das Rezept am Dienstag aus der Praxis abholen und zu uns in die Apotheke bringen. Ein Einsatz über mehrere Stunden, der unter Nichtbeachtung von Gesetzen durch uns schließlich zu einer Lösung für die Patientin geführt hat. Das Restrisiko für mich bleibt.“
Der Vorgang steht für Schmitz „stellvertretend für den Zustand unseres Gesundheitswesens“: „Kein Arzt lässt sich von der Verwaltung etwas sagen. Deutschland ist sehr hierarchieorientiert im Gegensatz zur Schweiz, die lösungsorientiert arbeitet. Die Leidtragenden sind die Patienten – und die Apotheker.“
Dass es kein Leichtes werden würde, das Bürokratiemonster Entlassmanagement umzusetzen, war schnell klar. Die Krankenhäuser stehen vor einer großen Herausforderung. Martina Prinz, Leiterin der Stabsabteilung Entlassmanagement der Uniklinik Köln (UKK), sieht vor allem für die kleinen Häuser ein großes Problem. Alleine die Anforderungen an den Rezeptdruck sind eine große Hürde. Die Software wurde erst kurz vor Inkrafttreten des Rahmenvertrages abgenommen.
Prinz ist froh, dass am UKK die Apotheke die Rezepte druckt. Die Ärzte leiten die zu verordnende Medikation an die Apotheke weiter, die dann die Rezepte vorbereitet und an die Station schickt. Dort wird dann final kontrolliert und unterschrieben. Ein Aufwand, den kleine Häuser nicht leisten können.
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