Engpass-Retax: Kasse will Ozempic nicht zahlen Carolin Ciulli, 24.04.2024 10:10 Uhr
Während der Lieferengpass bei Ozempic und Trulicity weiter anhält, schicken die ersten Krankenkassen Retaxierungen wegen verspäteter Rezeptabgabe. Eine Inhaberin aus Baden-Württemberg ist verärgert – sie musste ihren Patienten wegen der Lieferschwierigkeiten verzögert versorgen. Die Korrektur will sie nicht aus eigener Tasche zahlen.
Im vergangenen September gab die Apotheke Ozempic (Semaglutid) 1 mg Injektionslösung i.e. Fertigpen sowie Tresiba 200 i.E. zu Lasten der DAK-Gesundheit ab. Das Rezept wurde Ende Juli ausgestellt. Vorher waren die Arzneimittel der Apothekerin zufolge jedoch nicht zu bekommen. Dieses Problem vermerkte sie auf dem Rezept: „Verspätete Rezepteinreichung aufgrund Lieferengpasses“, heißt es auf der Verordnung.
Doch die Rechnungsprüfstelle für Krankenkassen der Gesellschaft für Statistik im Gesundheitswesen (GFS) schickte die Verordnung im Auftrag der Kasse im Bearbeitungszeitraum März 2024 zurück. Als Korrekturgrund hieß es: „Die Verordnung wurde nicht innerhalb der Frist gemäß § 11 Abs. 4 AM-RL vorgelegt.“ Demnach dürfen Verordnungen „längstens 28 Tage nach Ausstellungsdatum zu Lasten der Krankenkasse beliefert werden.“ Die Belieferungsfrist ende auch dann mit dem Ablauf ihres letzten Tages, wenn dieser auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag falle. Das Lieferengpassgesetz räumt den Apotheken einen Puffer von drei Tagen ein.
Die Apothekerin soll die knapp 430 Euro selbst bezahlen. Seit 2022 besteht der Lieferengpass bei Ozempic. Erst Anfang des Monats teilte der Hersteller Novo Nordisk Pharma mit, dass auch die Einstiegsdosis 0,25 mg des Antidiabetikums im zweiten Quartal nicht zur Verfügung stehen wird. Zudem werde die 0,5 mg Dosis nur in reduzierter Menge ausgeliefert werden können. Um insbesondere bereits mit Ozempic behandelte Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 zu versorgen, liegt der Fokus auf der Versorgung mit der Stärke 1 mg. Der Import ist zum vierfachen Preis verfügbar.
Auch Trulicity-Rezept kam zurück
Im April kam der nächste Schock: Die GFS reklamierte im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse ein Rezept über Trulicity (Dulaglutid, Lilly Deutschland). Die Verordnung wurde am 3. September 2023 ausgestellt, am 5. Oktober belieferte die Apotheke das Rezept. Auf der Verordnung heißt es handschriftlich als Erklärung: „Verspätete Rezepteinreichung. Lieferengpass, keine 4er Packung erhalten und an Patienten ausgegeben.“
Doch auch für diese Erklärung gibt es Gegenwind. Erneut ist der Korrekturgrund die nicht fristgerechte Bearbeitung. Die Inhaberin soll 90 Euro zahlen. „Das ist doch lächerlich. Meine Unterschrift als Apothekerin muss doch reichen, um zu zeigen, dass die Arzneimittel nicht zu bekommen waren.“ Der Aufwand, an diese Arzneimittel heranzukommen, sei groß und koste Arbeitszeit. „Ich fühle mich manchmal nur noch als Handlanger der Krankenkassen.“
Auch Trulicity befindet sich bei manchen Apotheken seit einem Jahr auf der Defektliste. Die Liefersituation für das Glukagon-like Peptide-1 ist weiterhin angespannt. Ärztinnen und Ärzte werden bereits seit September 2022 gebeten, keine Neueinstellungen und/oder Umstellungen auf Trulicity vorzunehmen.
Rücksprache mit Praxis erforderlich
Generell dürfen Apotheken verspätet beliefern, müssen dies aber mit der Arztpraxis besprechen: Im Rahmenvertrag § 6 Absatz 2 heißt es: Die Apotheke verliert den Vergütungsanspruch nicht, wenn „die Apotheke ein Arzneimittel nach Ablauf der Monatsfrist nach Ausstellung nach einer auf einem papiergebundenen Verordnungsblatt dokumentierten Rücksprache mit dem Arzt und einem vom Apotheker abgezeichneten Vermerk über die Gründe abgibt.“