Jede:r vierte Patient:in erhielten im 4. Quartal 2022 in der Apotheke nicht das verordnete Präparat. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Demnach wurden 26 Prozent der Rezepte mit der entsprechenden Sonder-PZN abgerechnet. In 10 Prozent der Fälle waren die verordneten Präparate nicht lieferbar.
Lieferengpässe sind nur schwer zu messen, da nicht dokumentiert wird, was nicht abgegeben werden konnte. Laut einer Blitzumfrage des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR) ist fast jedes zweite Rezept betroffen. Das Zi hat sich Abrechnungsdaten angeschaut und geprüft, wie oft die Sonder-PZN 02567024 für Nichtverfügbarkeit angegeben wurde. Sie kommt zwar nur im Generika- und importrelevanten Markt zum Tragen, auch werden andere Sonder-PZN nicht erfasst. Im Zeitverlauf ist laut Zi aber eine aktuelle Verschärfung der Lage zu beobachten.
War die Anzahl der abgerechneten Sonder-PZN für nicht verfügbare verordnete Arzneimittel im Jahr 2021 und in den ersten neun Monaten 2022 relativ stabil, steigt sie im vierten Quartal 2022 deutlich an. Bei 10 Prozent der Verordnungen konnten Apotheken nicht auf das eigentlich abzugebende Präparat zurückgreifen. Dies betraf 26 Prozent der Patient:innen mit einer Verordnung. Davon waren auch häufig verordnete Wirkstoffe betroffen.
Rund 75 Prozent aller verordnenden Praxen hatten mindestens einen betroffenen Patienten. Fälle, in denen die Apotheke ein neues Rezept in der Arztpraxis anfordern musste, weil der verordnete Wirkstoff überhaupt nicht verfügbar war, sind naturgemäß nicht erfasst.
„Die Gründe für Lieferengpässe sind vielschichtig. Neben nicht ausreichenden Produktionskapazitäten oder dem Rückzug einzelner Hersteller können auch kurzfristige Veränderungen im Krankheitsgeschehen zu Problemen führen“, kommentiert der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. So sei es im Dezember zu Versorgungsschwierigkeiten bei Antibiotika mit den Wirkstoffen Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure und Penicillin V gekommen. „Dies war eine besondere Herausforderung, da viele Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, in diesem Zeitraum an einer bakteriellen Infektion erkrankten. Der Markt konnte jedoch nicht zeitnah genug auf den gesteigerten Bedarf reagieren.“ Während im 4. Quartal 2021 die drei Wirkstoffe knapp zwei Millionen Mal verordnet wurden, waren es ein Jahr später mehr als 3,1 Millionen Verordnungen. Insbesondere bei so wichtigen Wirkstoffen wie Antibiotika sollte daher neben stabilen Lieferketten auch eine Reserve vorgehalten werden.“
Um Lieferengpässe wirklich zu reduzieren oder gar zu verhindern, müsse die Politik an den tatsächlichen Ursachen ansetzen und mehr Transparenz über Lieferwege schaffen. Diese seien oftmals allein den jeweiligen Pharmafirmen im Detail bekannt, so von Stillfried weiter. „Konkret heißt das: Abhängigkeiten von Lohnherstellern in Asien zurückfahren und verbliebene Standorte in Europa stärken sowie Lieferengpässe konsequenter überwachen, damit frühzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden können.“
APOTHEKE ADHOC Debatte