Einkaufserlebnis: Ist der Einzelhandel so zu retten?

Apothekerin enttäuscht vom Weihnachtsshopping

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Berlin -

Viele Apotheken kennen das Leid des Einzelhandels aus eigener Erfahrung: Nicht nur der eigene Betrieb hat es immer schwerer, vielen kleinen Einzelhändlern geht es sogar noch schlechter. Die Internetkonkurrenz lässt die Innenstädte verwaisen, am Ende leiden auch die Apotheken unter der mangelnden Laufkundschaft. Doch während die sich oft an jeden Strohhalm klammern, um ihre Stärken gegenüber den Onlineshops auszuspielen, beschleicht einen manchmal das Gefühl, der ein oder andere Einzelhändler hat das noch nicht verstanden.

Eigentlich hatte sie sich auf das Weihnachtsshopping gefreut, erzählt Apothekerin Daniela Hänel aus dem sächsischen Zwickau. „Für mich ist es wie ein kleines Fest, wenn ich mir die Zeit nehmen kann, auch mal durch die Stadt zu bummeln und zu schauen, ob ich irgendwo schöne Sachen finde, die ich verschenken kann.“ Außerdem wolle sie den Einzelhandel vor Ort unterstützen und nicht zuletzt den Vorteil persönlicher Beratung genießen. Doch als sie am Montag loszog, um unter anderen für das Team ihrer Linda Apotheke in der Nordvorstadt Geschenke zu kaufen, kam keine rechte Weihnachtsstimmung auf – und das lag nicht an der Covid-19-Pandemie. Vielmehr zeigte ihr der Einkaufsbummel, wie sehr im Einzelhandel vielerorts noch das Bewusstsein dafür fehlt, die eigenen Stärken auszuspielen.

Erste Station war ein Reisebüro in der Fußgängerzone, in dem sie Gutscheine kaufen wollte. Sie wunderte sich schon, dass es nicht voll beleuchtet war, dann sah sie die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 10 bis 16 Uhr. „Es war 16 Uhr, ich betrat das Reisebüro und wurde entsetzt angesehen“, beschreibt sie ihre Erfahrung unter anderem in einem Facebook-Beitrag. Ihre Begrüßung: „Wir haben Feierabend!“ Sie habe sich noch entschuldigt, dass sie berufsbedingt nicht früher kann – aber wie viele berufstätige Menschen können schon unter der Woche zwischen zehn und vier? Auf die Frage, ob sie noch zwei Gutscheine kaufen könne, wurde ihr mitgeteilt, dass der Computer schon heruntergefahren worden sei und sie ja im Internet bestellen könne.

„Ich erklärte, dass ich lieber vor Ort kaufe“, so Hänel. „Dann erfolgte der Hinweis, dass die EC-Zahlung jetzt nicht mehr möglich sei.“ Genug Bargeld hatte sie glücklicherweise dabei und auch passend. „Widerwillig wurden mir zwei Gutscheine ausgestellt mit dem Hinweis, dass nur der Betrag ausgestellt wird, weitere Ergänzungen muss ich selbst übernehmen.“ Freundlich bedankte sie sich, entschuldigte sich für die Umstände und zog weiter ins nächste Telefongeschäft. „Dort waren drei junge Mitarbeiter mit sich selbst beschäftigt und mein Anliegen war eher störend als dass man sich Mühe geben wollte, mir zu helfen“, erinnert sie sich. Zwei Handyverträge wollte sie abschließen, aber als Geschäftsverträge aufgrund der dienstlichen Verwendung. Das geht nur online oder über die Servicenummer, persönliche Beratung vor Ort gibt es nicht, lautete die Information der Angestellten. „Also bin ich erfolglos gegangen und werde wohl den Anbieter wechseln.“

Die nächste Station war ein Drogeriemarkt. „Die unfreundliche Mitarbeiterin an der Kasse war mit meinen kleinen Artikeln vermutlich angenervt. Gern hätte ich mehr gekauft, aber ich habe nicht das gefunden, was ich mir vorgestellt und gesucht hatte“, beschreibt sie das fragwürdige Einkaufserlebnis. Immerhin: Die nächste Station war ein Kleidungsgeschäft, das den Ruf des Einzelhandels rettete. „Für meine Tochter wollte ich ein spezielles Bekleidungsstück und im Fachgeschäft mit einer freundlichen und kompetenten Mitarbeiterin habe ich das gewünschte Teil bekommen. Zusätzlich gab es Hilfestellung und Ratschläge dazu“, erinnert sie sich. „Das nenne ich Service und ein kleines nettes Gespräch machte mir Hoffnung, dass es den Einzelhandel gibt, der auf Kundenbedürfnisse eingeht.“

Doch mit dem nächsten Geschäft kam schon die nächste Enttäuschung. Gutscheine für das Weihnachtswichteln wollte sie dort kaufen. „Früher wurde ich dort immer gefragt, ob es weihnachtlich verpackt werden soll. Dieses Jahr war die anwesende Mitarbeiterin eher genervt, 13 Gutscheine auszustellen. Mit einem Stift wurde lieblos der Betrag in die Gutscheinkarte gekritzelt und ohne Emotionen die Plastikkarten auf den Klebepad geklatscht“, erzählt sie. „Das macht besonders viel Freude beim Verschenken, wenn man sich an diesen Geschäftsvorgang erinnert.“ Ein Besuch in der Filiale einer Deko-Kette setzte da noch eins drauf: Hänel war auf der Suche nach Weihnachtskarten, die sie ihren Mitarbeitern persönlich schreiben möchte. Sie wurde fündig und fand ein tolles Motiv – allerdings waren nur noch acht Karten im Aufsteller, sie brauchte aber 13. Also fragte sie freundlich eine Mitarbeiterin, ob denn noch weitere an Lager wären. „Die Antwort der Mitarbeiterin lies mich sprachlos werden: Ja, haben wir. Da komme ich jetzt aber nicht ran, ich fülle erst morgen wieder auf.“ Also kaufte sie noch fünf Karten mit einem anderen Motiv.

„Nachdenklich und traurig fuhr ich nach Hause“, erinnert sie sich. „Ich hatte mir extra Zeit für die Einkäufe genommen. Bis auf das kleine Fachgeschäft mit dem angenehmen Service kann ich diese zwei Stunden nicht als Einkaufserlebnis bezeichnen.“ Dabei zeige vor allem der Vergleich mit dem eigenen Betrieb, wie wenig Engagement viele Einzelhändler offensichtlich an den Tag legen – und wie wenig Gedanken sie sich darüber machen, was notwendig ist, um gegenüber dem Onlinehandel zu bestehen. „Ich mache mir viele Gedanken, was ich gegenüber der Konkurrenz besser machen kann“, sagt sie. „Warum bestellen denn so viele Menschen bei DocMorris, statt in die Apotheke um die Ecke zu gehen? Nicht nur wegen des Preises, sondern auch, weil der Service nicht stimmt.“ Für sie selbst stünden Freundlichkeit, Service und Beratung an erster Stelle, sie und ihre Mitarbeiter würden sich die Zeit nehmen, auf die Bedürfnisse jedes Kunden einzugehen und Wünsche zu erfüllen, soweit es möglich und erlaubt ist. Dafür stehe sie vom frühen Morgen bis zum späten Abend in der Apotheke, liefere danach zum Teil noch aus – und muss dann sehen, dass ein Reisebüro von 10 bis 16 Uhr offen hat. Man müsse aber zeigen, dass ein Vor-Ort-Geschäft, außer beim Preis, mehr kann als der Online-Handel. „Nur leider erreicht man als Einzelkämpferin nichts, wenn die anderen Mitstreiter im Einzelhandel nicht mitziehen.“

 

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