Apothekenmitarbeiter arbeiten derzeit an der Leistungsgrenze und müssen von der Herstellung von Desinfektionsmitteln bis zur Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen zusätzliche Aufgaben übernehmen. Und die großen Versender? Die schicken einfach ihre Päckchen raus und freuen sich über Rekordumsätze. So sehen es zumindest viele Apotheker vor Ort. Dabei müssten sie sehr viel mehr leisten als die großen Versandkonzerne.
„Eine Versandapotheke kann in so einer Situation kein Land versorgen!“, sagt eine Apothekerin aus Sachsen, die nicht namentlich genannt werden will. Das zeige sich im Moment überdeutlich. Und die Situation könne sich bald noch verschärfen, vermutet sie. „Wer weiß, wie lange die Post überhaupt noch richtig funktioniert?“ Die Paketboten dürften in ihrer Region wegen der Infektionsgefahr schon nicht mehr den Stift aus der Hand geben, wenn sie ein Paket ausliefern. Angesichts der sich verschärfenden Lage sei es gut möglich, dass da bald weitere Einschnitte folgen. „Ich hoffe nur, dass die Politik dann die richtigen Prioritäten setzt und die Privatbelieferung zugunsten der Warenanlieferung einschränkt.“
Spätestens dann sei vollkommen klar, wer die Verantwortung für die Versorgung trägt: „Wir haben den Botendienst!“ Doch so hart müsse es erst gar nicht kommen. „Sie können sich nicht vorstellen, was die Vor-Ort-Apotheken jetzt schon leisten, was die Versender nicht tun! Stellen Versandapotheken Desinfektionsmittel her?“ Sie hält das Verhalten der großen Versender für unsolidarisch. Es sei demotivierend, all diese Aufgaben zu übernehmen, während die Offizin voller Kunden steht, die Mängel zu managen – und dann zu sehen, „wie die Versender sich in so einer Situation feiern“.
„Das stehen Apotheker bis nachts im Labor, um noch nach der Arbeitszeit Desinfektionsmittel herzustellen, und müssen dann in der Presse lesen, wie sich einer freut, dass er gerade jeden Tag tausende Kunden zusätzlich hat!“, sagt sie. „Das deprimiert auch die Mitarbeiter hier.“
Auch ansonsten würden es die Versender gerade mit der Ethik nicht so ernst nehmen. „Und die verkaufen auch nicht wie wir nur zwei Packungen pro Person, wie wir das hier tun, damit die Leute nicht hamstern.“ Und das noch zu erhöhten Preisen, wie sie insinuiert. „Haben Sie sich mal angeschaut, was die jetzt für Preise nehmen für Grippostad, Paracetamol und Desinfektionsmittel? Es ist grenzwertig.“ Besonders störe sie dabei das fremdkapitalfinanzierte Geschäftsmodell. „Seit Jahren wird davon berichtet, wie die nur in den roten Zahlen stecken – und dann liefern sie eine Erfolgsmeldung nach der nächsten. Es ist nicht schön zu sehen, wie die Geld verbrennen und sich dann noch feiern. Ich hoffe, irgendwann wird denen der Geldhahn mal zugedreht.“
Tatsächlich vermelden die großen Versandapotheken bereits seit Wochen ein erhöhtes Bestellaufkommen. Teilweise hätten sich die Anfragen verdoppelt, auf täglicher Basis seien tausende Neukunden zu verzeichnen, berichtete beispielsweise Zur-Rose-CEO Walter Oberhänsli. Um die zusätzlichen Auftragsvolumina bearbeiten zu können, nutze man Reservekapazitäten in allen fünf Niederlassungen. Es sei bereits jetzt klar, dass es durch die Krise einen deutlichen Push für den Versandhandel gebe – und zwar über breite Bevölkerungsschichten hinweg. Man habe schon Bestellungen per Fax erhalten, weil Kunden aus Sicherheitsgründen lieber zu Hause bleiben wollten.
Für den Konkurrenten Shop-Apotheke könnte die aktuelle Krise den Weg aus den roten Zahlen sichern. Sie will im laufenden Jahr erstmals die Gewinnzone auf Basis der Marge des bereinigten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) erreichen – und das war bereits vor der Sars-CoV-2-Epidemie das Ziel gewesen. Bei der Shop-Apotheke geht die aktuelle Situation aber auch mit Problemen einher: So weist der Versender aus dem niederländischen Venlo seine Kunden derzeit auf eine erhöhte Versanddauer hin und hat Produkte, die aus seiner Sicht derzeit nicht essentiell sind, aus dem Webshop gestrichen. Auch eine Verringerung von Höchstbestellmengen behält Shop-Apotheke sich vor.
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