Kommentar

Eine Retax geht immer

, Uhr aktualisiert am 05.11.2014 11:31 Uhr
Berlin -

Ein Apotheker erhält einen Bußgeldbescheid: „Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h. Zulässige Geschwindigkeit: 50km/h. Festgestellte Geschwindigkeit 50 km/h.“ Verwundert liest er bis zum Ende des Bescheids. Da steht zur Begründung: „Festgestellte Geschwindigkeit geändert: 77 km/h (nach Toleranzabzug).“ Er soll 100 Euro zahlen. Das kommt ihm bekannt vor und er holt seinen Retax-Ordner heraus. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Die DAK hat bei der Abrechnung das Datum auf dem Rezept korrigiert und eine dreistellige Retaxation ausgesprochen. Die Abgabe einer Zyto-Rezeptur wurde kurzerhand auf den 1. Januar verlegt – obwohl die Apotheke an diesem Tag nicht einmal Notdienst hatte.

Weil die DAK die Änderung offiziell und in eigenem Namen vornimmt, ist ihr zwar keine Urkundenfälschung vorzuwerfen, betrogen fühlt sich der Apotheker von der Kasse aber trotzdem. In einem anderen Fall wurde der Abgabezeitpunkt von der Prüfstelle auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt – wiederum zu Gunsten der Kasse.

Eigentlich dachten die Apotheker, nach Protaxplus könnte es nicht mehr schlimmer kommen. Die Rezeptprüffirma für einige Betriebskrankenkassen hatte im Herbst 2011 unter anderem Betäubungsmittel-Rezepte retaxiert, weil Ärzte gängige Abkürzungen bei der Verordnung verwendet hatten – ein Formfehler.

Eine neue Dimension wäre erreicht, wenn Rezeptdaten bei der Abrechnung so verändert werden, dass der Grund für die Retaxation überhaupt erst entsteht. Wenn das bei der DAK mehr als ein Versehen war, wäre es ungeheuerlich.

Es geht nicht nur um den finanziellen Schaden für die Apotheker. Es geht um das grundsätzliche Gefühl, dem Vertragspartner überhaupt noch vertrauen zu können. Dieses Gefühl ist bei vielen ohnehin erschüttert, seit private Firmen für die Kassen Rezepte prüfen und an den Einsparungen beteiligt werden. Das Provisionsgeschäft war noch nie das sauberste der Welt.

So wie sich auf Kassenseite Vorurteile festsetzen, wenn Ärzte oder Apotheker mit ihrem vorsätzlichen Rezeptbetrug auffliegen, torpedieren immer wieder einzelne Kassen oder ihre Dienstleister die Zusammenarbeit durch hanebüchene Retaxationen. Schlimm wäre es, wenn auf die kleinliche Auslegung der Vorschriften jetzt das Erfinden von Retaxationsgründen folgen würde.

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