Mit der neuen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sollen die Apotheken behindertengerechter werden: Künftig soll die Offizin barrierefrei erreichbar sein. Viele Inhaber befürchten, dass auf sie hohe Umbaukosten zukommen. Wie genau die Vorgabe umgesetzt werden soll, lässt die ApBetrO offen. APOTHEKE ADHOC sprach mit Dr. Volker Sieger, Leiter des Instituts für barrierefreie Gestaltung und Mobilität (IbGM), das vom Sozialverband VdK getragen wird, über Klingeln, mobile Rampen und Gehweg-Erhöhungen.
ADHOC: Was müssen Apotheken machen, die nur eine kleine Stufe im Eingangsbereich haben?
SIEGER: Eine Patentlösung gibt es nicht, das hängt von der örtlichen Situation ab. Generell gibt es verschiedene Lösungen. Häufig ist eine Aufpflasterung des unmittelbar angrenzenden Gehwegbereichs möglich – dann sollten auch die Geschäfte in der Umgebung miteinbezogen werden. Vielfach wird heute, nach entsprechender Abstimmung zwischen den Einzelhändlern und der Kommune, gleich ein ganzer Gehwegabschnitt aufgepflastert, so dass anschließend alle Geschäfte stufenlos zugänglich sind. Auch durch eine seitlich, parallel zur Hausfront angeordnete kurze Rampe kann Barrierefreiheit erreicht werden.
ADHOC: Was ist bei mehreren Stufen?
SIEGER: Hier hilft meist nur eine entsprechende Rampe. Dabei muss genau abgewogen werden, durch welche Position der Rampe die geringste Neigung realisierbar ist. Alternativ ist in dem einen oder anderen Fall aber sicherlich auch über den Zugang durch einen Nebeneingang nachzudenken, falls hier keine oder weniger Stufen vorhanden sind. Ein solcher barrierefreier Nebeneingang muss natürlich mit einem Schild ausgewiesen werden und gegebenenfalls mit einer Klingel versehen werden.
ADHOC: Reicht eine mobile Rampe aus?
SIEGER: Eine mobile Rampe sollte nur dann als Lösung angeboten werden, wenn eine Aufpflasterung des Gehwegs oder eine Rampe nicht oder nicht kurzfristig realisierbar sind. Sie kommt aber in der Regel ohnehin nur dann in Frage, wenn lediglich eine einzige oder einige wenige Stufen vorhanden sind.
Zudem sollte man den Aufwand, der für das Personal damit verbunden ist, nicht unterschätzen. Auch besteht für die betreffende Apotheke die Gefahr, dass man Laufkundschaft verliert: Denn wenn ich kein Stammkunde bin und daher nicht weiß, dass eine mobile Rampe vorhanden ist, gehe ich einfach vorbei und suche mir eine Apotheke, die offensichtlich stufenlos zugänglich ist.
ADHOC: Was ist, wenn das Denkmalschutzamt eine Rampe oder einen Plattformlift ablehnt? Ist eine Klingel oder ein Drive-in-Schalter dann ausreichend?
SIEGER: Grundsätzlich sollte die Entscheidung des Denkmalschutzes erst einmal hinterfragt werden. Denn aus meiner Sicht sind in der Vergangenheit zu häufig die Anliegen des Denkmalschutzes denen der Barrierefreiheit scheinbar unversöhnlich gegenüber gestellt worden, obwohl dies nachweislich in vielen Fällen nicht hätte sein müssen.
Sollte es im Einzelfall dennoch zu keiner Lösung kommen, ist sicherlich eine Klingel oder ein Drive-in-Schalter besser als nichts. Aber Apotheken leben doch davon, dass sie qualifiziert beraten. Und nun stellen Sie sich einmal vor, eine solche Beratung findet auf der Straße statt, vielleicht sogar noch im Regen oder bei eisigen Temperaturen.
ADHOC: Heißt „barrierefrei“ auch, dass es eine Behindertentoilette geben muss?
SIEGER: Wenn für alle Kunden eine Toilette angeboten wird, dann sollte selbstverständlich auch einen Behindertentoilette vorhanden sein. Das muss aber nicht zwingend eine zusätzliche Toilette sein. Gerade in kleineren Räumlichkeiten, etwa in kleineren Geschäften oder Gaststätten, wird oftmals entweder im Damen- oder im Herren-WC die Toilette barrierefrei gestaltet, so dass sie dann von beiden Geschlechtern als Behindertentoilette genutzt werden kann. Natürlich muss in diesem Fall auch eine entsprechende Beschilderung erfolgen.
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