Urlaubszeit in der Apotheke

Ein Bus voller Kunden und nur zu zweit: Der Horror

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Berlin -

Was war das nur für ein Tag? Anja Alchemilla lässt sich auf die Notdienstcouch sinken. Und das während der Urlaubszeit! Arbeiten, während andere Ferien haben, ist immer besonders hart. Aber an manchen Tagen ist es für die Restbelegschaft besonders stressig.

Alles begann damit, dass zwei der vier Mitarbeiter Urlaub haben. Der ließ sich auch nicht anders legen, denn alle PTA und PKA haben schulpflichtige Kinder und somit gleichzeitig sechs Wochen Sommerferien zu überbrücken. Überschneidungen gibt es da jedes Jahr. Die Ärzte schließen ihre Praxen allerdings nicht wie früher ebenfalls während der Sommerzeit. In der näheren Umgebung existieren nur noch Gemeinschaftspraxen, damit dort ganzjährig geöffnet bleiben kann. Anja hatte gehofft, mit einer PTA und einer PKA gemeinsam die Ferienzeit zu überstehen, doch nun ist die Backoffice-Kraft einem Magen-Darm-Virus zum Opfer gefallen. Seit drei Tagen arbeiten sie nun zu zweit. Und heute war der schlimmste Tag von allen. Es begann gleich mit einem Bus voller Kunden direkt nach dem Aufschließen der Apotheke. Alle wollten noch ihre Siebensachen erledigt haben, bevor die Sommersonne mit voller Kraft vom Himmel brennt. Und natürlich waren viele Kundenwünsche kompliziert zu erfüllen.

Die erste Kundin legt gleich ein Rezept über Kompressionsstrümpfe nach Maß auf den HV mit der Bitte, sie sofort auszumessen. Sie komme direkt aus dem Krankenhaus, wo sie aufgrund einer Thrombose behandelt wurde. Anja überlässt sie ihrer PTA, die die Dame in den Beratungsraum lotst. Die Filialleiterin ist nun allein mit der Ware von gestern Abend, einem vollen Verkaufsraum und dem läutenden Telefon. Der nächste Kunde ist gleich unzufrieden, dass niemand seine Bestellung bearbeitet hat und er noch einmal wiederkommen muss. Er hat doch extra gestern noch eine E-Mail geschickt! Dass diese um 22 Uhr weit nach Ladenschluss einging, interessiert ihn nicht – das muss doch jetzt da sein! In der schnell abgerufenen E-Mail finden sich drei Rezepturen und der Kunde wird auf den Nachmittag vertröstet.

Von der nachfolgenden Kundin wird gefragt, wann denn nun endlich ihre Januvia-Tabletten kämen. Sie habe sie doch bereits vorgestern geordert. Anja erklärt ihr, dass der Großhandel schon länger nicht mehr bevorratet war und der Hersteller nur noch direkt ausgeliefert hat. Diese Möglichkeit ist allerdings seit Anfang August nicht mehr gegeben, da MSD erklärt hat, dass die Großhändler inzwischen ausreichend beliefert wurden, was diese aber bestreiten. Die Kundin kann das nicht glauben. Anja stellt den Telefonlautsprecher an und ruft sowohl den Großhandel als auch den Hersteller an. Dabei geht wieder Zeit verloren und die wartenden Kunden werden ungeduldig.

Zum Glück ist die PTA inzwischen aus dem Beratungsraum zurück. Als sie die drei Rezepturen erblickt, die sie herstellen soll, stöhnt sie kurz auf, denn es warten noch vier von gestern. Sie bestellt die nötigen Grundlagen und beginnt mit den Plausibilitätsprüfungen, nachdem sie die letzte Ware verbucht und verräumt hat. Der Kunde, der gestern Abend die Rezepturen gemailt hat, wünscht alle drei Salben von Hand gerührt und in Tuben abgefüllt.

Anja bekommt unterdessen ein Rezept angereicht, auf dem außer der Unterschrift des Arztes nichts zu sehen ist. Die Patientin hat vergessen, damit zur MFA zu gehen, die es bedrucken sollte, bevor sie die Praxis verlässt. Also wird wieder einmal telefoniert. Nach einigen Minuten ist endlich jemand in der Leitung. Die MFA ist zum Glück verständnisvoll, dieses Problem tritt häufiger auf. Sie druckt das Rezept noch einmal aus und verspricht, es nach Feierabend in den Briefkasten der Apotheke zu werfen. Es ist eine Rezeptur.

Am Ende des langen Arbeitstages steht Anja frühzeitig an der Kasse, um den Tagesabschluss zu machen. Die Bilanz waren gut: 200 Kunden, ein Kompressionsstrumpf, diverse Direktlieferungen, die bearbeitet werden mussten, zwölf Rezepturen samt der damit verbundenen Bürokratie und unzählige Telefonate. Zwei Minuten vor Feierabend kommt noch ein Kunde herein. „Oh! Sie sind ja noch da. Da hab ich ja Glück gehabt. Bin ich der einzige Kunde im Laden? Naja, ist ja Ferienzeit, da läuft alles etwas geruhsamer ab als sonst, nicht wahr?"

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