ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Eilige Apothekerin: Seit der Reform immer auf Achse

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Berlin -

Wer hätte sich das vor zwei Jahren gedacht?! „Damals“, im Frühling 2024. Doch seitdem hat sich viel getan in der Apothekenbranche. Die schlimmsten Albträume sind wahr geworden und nun schauen die Apothekenteams, wie sie das Beste daraus machen. Um ihre Apotheken am Leben zu halten, blieb Apothekerin Claudia Sonntag nur das Streichen ihrer Filialleitungen. Seitdem kümmert sie sich allein um ihre drei Apotheken und die beiden Zweigapotheken, die sie in den inzwischen unterversorgten Nachbarkreisen übernommen hat. Das spart tatsächlich immens Kosten – ganz so wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das versprochen hatte. Dafür ist das Pensum bei der Inhaberin, die nun täglich zwischen den Betrieben pendelt und nebenbei auch noch telepharmazeutisch unterstützt, extrem gestiegen.

Es kommt tatsächlich mehr rum: weniger Personal (also Approbierte), nun sechs Apotheken statt vier, mehr Geld für Notdienste, mehr Impfungen, die zusätzliches Geld einspielen. Zwar hat sich die Honorarumstellung tatsächlich als ein Nulllsummenspiel entpuppt, aber damit war ja zu rechnen. Dafür sind einige Apotheken, die das Spiel mitspielten, am Leben geblieben oder konnten sogar wieder belebt werden. Menschen werden mit Arzneimitteln versorgt, aus Patientensicht hat sich gar nichts verschlechtert.

Ja, okay. Manche Sachen bekommt man nur noch, wenn die Inhaberin oder der Inhaber vor Ort sind. Womöglich hat Lauterbach den Mehrbesitz gezielt nach der Anzahl der Arbeitstage ausgerichtet. Apothekerin Sonntag ist montags immer in Filiale 1, dienstags in Filiale 2, mittwochs in Filiale 3. Donnerstags fährt sie in Zweigapotheke 1, freitags in in Zweigapotheke 2. Und samstags ist sie in der Hauptapotheke, hier werden auch bis in die Nacht hinein noch Rezepturen hergestellt, für die gesamte Woche.

Da alle Apotheken jeweils 100 Kilometer auseinander liegen, kommt die Inhaberin auf fast so viele Kilometer in der Woche wie ein professioneller Brummifahrer. Ihr Fahrtenbuch hatte die Größe eines Aktenordners, bis sie ihren Pkw gegen einen Kleinlaster mit Fahrtenschreiber eintauschte. Immerhin müssen wegen der gestrichenen Skonti jetzt auch AEP-Wannen hin und her gefahren werden. Manchmal schläft sie dann auch gleich im Auto, Notdienstzimmer gibt es ja an zwei Standorten nicht. Familie? Muss man eben später im Ruhestand genießen.

Wenn die Apothekerin eintrifft, winken die Kundinnen und Kunden ihr fröhlich zu. Sie haben sich daran gewöhnt, dass vieles bestellt werden muss oder auch mal länger dauert. Und sollte doch mal etwas wirklich dringend gemacht werden müssen, sind Sonntag und ihr Team natürlich für solche Ausnahmefälle da. Man ist ja schließlich Heilberuflerin, Helfen ist Pflicht. Und die Botendienstpauschale will ja auch mitgenommen werden.

Impfungen und Schnelltests gibt es auch in allen Filialen; hier können über eine ausgeklügelte Software standortbezogene Termine gebucht werden. Die Inhaberin ist nicht nur mehrfache Filialleiterin, sondern inzwischen die einzige Approbierte im Verbund. Manchmal beschweren sich Kund:innen, dass die Services nicht mehr wie gewohnt laufen und die Inhaberin ständig nicht da ist. Ob sie denn auf Golfplätzen an ihrem Handicap arbeite. Die Vorurteile sind trotz gravierender Veränderungen leider noch dieselben.

Allein als Approbierte

Dafür ist Inhaberin Sonntag nun viel auf sich allein gestellt. Viele approbierte Kolleg:innen haben sich entweder doch selbstständig gemacht oder sind in die Industrie gewechselt. In den Apotheken gab es für sie nicht viel zu holen: Das Gehalt stagnierte nicht nur, es war auch kaum noch zu rechtfertigen, schließlich waren sie doch eigentlich kaum noch notwendig. Aber in der Industrie – ja, da ist ein Uniabschluss noch was wert. Und hier wird entsprechend gezahlt. Denn sind wir mal ehrlich: Wozu sollten Inhaberinnen den Approbierten noch viel mehr zahlen als den PTA? Dann doch lieber einen Zuschlag aufs Gehalt pro Impfung und einzelner BtM-Abgabe?

Immer unterwegs und überall dabei

Sollte eine ihrer PTA eine pharmazeutische Frage haben, ist Sonntag zur Stelle. Zur Not auch aus dem Auto. Freisprecheinrichtung und Videotelefonie machen es möglich und sie kann einfach von überall die Beratung unterstützen, wo es sein muss. Passt also, oder?

Schwierig wird es nur, wenn sie dann doch mal in den beiden Zweigapotheken nach dem Rechten schaut. In den beiden kleinen Orten klappt es mit der deutschen Netzabdeckung noch nicht optimal. E-Rezept geht gerade so, aber mit der Videotelefonie wird es schon schwieriger. Abgehackter Ton und abgehacktes Bild – so kann sie ihrer pharmazeutischen Pflicht nur schwerlich nachkommen. Nur Ton ist nicht erlaubt, also dauert hier so manches Gespräch länger als es müsste, bis sich endlich beide Seiten verstehen. Kaum auszudenken, wenn auf die Distanz Missverständnisse entstehen würden...

Läuft?!

Alles in allem läuft es aber also. Oder? Na ja, die Inhaberin ist eigentlich dauerhaft am Limit, auch wenn sie sich vor wenigen Jahren nicht hätte denken können, dass es noch schlimmer werden könnte. Auch für die Approbierten, die eigentlich mit dem Ziel öffentliche Apotheke ihren Weg starteten, sieht der Arbeitsmarkt nun traurig aus. Hier werden ihre Kenntnisse kaum noch gebraucht. Also ab in die Industrie, während Inhaber:innen und PTA verheizt werden.

Tiefgreifende Veränderungen

Sollte Lauterbachs Reform tatsächlich so kommen, wie angedacht, wird sich vieles verändern. Hier noch einmal der Überblick zum Nachlesen. Wie und was wirklich kommt und welche Auswüchse das treibt, bleibt abzuwarten. Und auch wie der doch so auf Partnerschaftlichkeit bedachte Partner im Großhandel auf all das reagiert. Was wird sich bei Ihnen ändern, sollte die Reform so kommen? Nutzen Sie doch das Wochenende, um sich schonmal Gedanken zu machen!

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